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Wagnis im Welterbe: Moderner Bibliotheksbau für Philosophische Fakultät im Innenhof der Südcommuns am Neuen Palais
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Im Innenhof der Südcommuns, die um 1770 als Wirtschaftsgebäude für das Neue Palais errichtet worden waren, ist in den letzten Monaten ein Neubau entstanden. Das vom Architekturbüro b5_p architekten in Glas und Stahl entworfene Gebäude nimmt zusammen mit dem angrenzenden ursprünglichen Marstall aus der Erbauungszeit auf insgesamt 1270 Quadratmetern Fläche einen großen Teil der Bereichsbibliothek der Philosophischen Fakultät der Potsdamer Universität auf. Das Einräumen der etwa 200 000 Bände hat begonnen, die mit Computertechnik modern ausgestatteten Leseplätze werden komplettiert. Im Oktober soll die Eröffnung gefeiert werden.
Der Baubeauftragte der Universität, Diplombauingenieur Hans Göbel, führt uns durch den Neubau. Zweifellos erscheint dessen Einordnung in das zum Weltkulturerbe zählende Ensemble aus dem 18. Jahrhundert als Wagnis, er ist jedoch in enger Zusammenwirken mit der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten entstanden. Partnerin der Bauverwaltung war dabei die Baudenkmalpflegerin Astrid Fritsche. Die Höhe des Gebäudes wurde so begrenzt, dass es von der Mopke und der Straße Am Neuen Palais aus unsichtbar ist, die Übergänge greifen nicht in den historischen Teil ein. Ein Teil des Innenhofs bleibt als Sommerterrasse für die Bibliotheksnutzer mit anschließendem Senkgarten bestehen. Im Marstall wurden die Säulen, die als Tragekonstruktion dienten und die Pferdeboxen abgrenzten, teilweise erhalten, an anderer Stelle wird die Säulenbasis durch glasabgedeckte Öffnungen im Fußboden sichtbar gemacht.
Die neue Bibliothek ist jedoch nur ein Teil des groß angelegten Vorhabens, die Philosophische Fakultät am Standort Neues Palais zu konzentrieren. Dabei wirkt die von Hans Göbel geleitete Bauverwaltung als Bindeglied zwischen dem Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen, der die Arbeiten in Auftrag gibt und koordiniert, und der Universität, deren Nutzerinteressen sie vertritt. Bereits fertig gestellt sind die Nordcommuns. Beim Ausbau der modernen Hörsäle, Büros und Seminarräume für das Historische Institut und die Religionswissennschaften musste die ursprüngliche Raumstruktur des im Krieg unzerstörten Baudenkmals gewahrt werden.
Für die südlichen Communs ergab sich eine abweichende Situation. Sie waren in den letzten Kriegstagen 1945, als hier und im Neuen Palais rund 1300 Potsdamer Zuflucht gesucht hatten, durch Beschuss im Inneren ausgebrannt. Bei der Einrichtung der Brandenburgischen Landeshochschule (später Pädagogische Hochschule) wurden ab Anfang der 50er Jahre Labors und andere Ausbildungsräume für Chemie- und Physiklehrer eingerichtet. Auch wenn noch Hinweistafeln „Großer Physikhörsaal“ und „Großer Chemiehörsaal“ zu sehen sind, diese denkmalwidrige Nutzung ist nun beendet.
Drei Hörsäle werden bis April 2007 für die Philosophische Fakultät ausgebaut, gleichzeitig entstehen in den ehemaligen Physikwerkstätten weitere Seminar- und Büroräume. In der oberen Etage, in die ebenfalls vornehmlich Seminarräume mit je 40 bis 80 Plätzen eingeordnet wurden, und im Bereich des Rektorats sind die Arbeiten bereits beendet. Ein ehemaliges Chemievorbereitungskabinett hat sich in den Senatssaal mit 30 Plätzen verwandelt, in dem kürzlich die neue Uni-Rektorin Prof. Sabine Kunst in ihr Amt gewählt wurde. Wiederhergestellt worden ist das durch gusseiserne Geländer mit zurückhaltender Ornamentik gekennzeichnete Treppenhaus. Es stammt aus den Anfangsjahrzehnten des 19. Jahrhunderts und hatte 1945 den Beschuss überstanden.
In die Konzentration der Geisteswissenschaften an diesem Standort werden auch in den 50er Jahren für die Pädagogische Hochschule errichtete Bauten westlich der Straße Am Neuen Palais einbezogen, so für die Germanisten, Slawisten, den Bereich Künste und Medien, außerdem für die Sportwissenschaften. Dagegen werden die naturwissenschaftlichen Fakultäten am Standort Golm zusammengefasst.
Seit Mitte der 90er Jahre, als die Fassadenrestaurierung der Communs begann, laufen die groß angelegten Investitionen mit einem Umfang von bisher 34 Millionen Euro. Bis zu ihrem Abschluss werden nochmals etwa fünf Millionen erforderlich. „Bedenken sie, dass die Pädagogische Hochschule etwa 3000 Studenten hatte, jetzt in der Universität sind es 17 000“, verdeutlicht Hans Göbel, der bereits seit 1978 in der Bauverwaltung tätig ist. „Dies bringt einen immens hohen Raumbedarf mit sich, dem wir mit guter Unterstützung durch die Landesregierung gerecht werden müssen.“ Deshalb wird auch an den Unistandorten Golm und Griebnitzsee weiter gebaut.
Erhart Hohenstein
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