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Aus dem GERICHTSSAAL: Unverhoffter Combino-Halt

Mordversuchsprozess: Weitere Zeugen gehört / Tramfahrer glaubte an Wette

Stand:

Manfred K. (55) glaubte zuerst an einen Dummejungenstreich, als sein Combino vor Bäcker Braune notgebremst zum Stehen kam. Der Straßenbahnfahrer sah in der Nacht des 3. Juli 2005 an der Haltestelle Campus Fachhochschule eine Gruppe schwarz gekleideter junger Leute in die Tram einsteigen. Einige hatten Bierflaschen in der Hand. Manfred K. war beruhigt, weil sich die Gruppe ruhig verhielt.

Um so verblüffter war er über den unverhofften Halt kurze Zeit später. „Ich dachte, die haben in ihrem alkoholisierten Zustand gewettet, wer sich traut, die Notbremse zu ziehen“, so der Grauhaarige gestern im Zeugenstand des Schwurgerichts. Er habe seinen Fahrdienstleiter per Funk über den Vorfall unterrichtet, danach die noch in der Bahn verbliebenen Fahrgäste gefragt, ob jemand zu Schaden gekommen sei. In dem Moment habe er die Schwarzgekleideten draußen links und rechts an der Tram vorbei laufen sehen. Dass wenig später zwei Potsdamer Studenten beinahe totgeprügelt wurden, habe er erst erfahren, als ihn die Polizei nach Dienstschluss zu Hause weckte, um ihn zu vernehmen, berichtete der Zeuge.

Ein junger Holländer, der gegenüber der Bäckerei Braune wohnt, wurde nach Mitternacht durch Lärm geweckt. Er sei schlaftrunken zum Fenster gewankt und habe einen Kreis von Personen gesehen, der sich um zwei Männer gebildet hatte. „Ich habe Bewegungen von Armen und Beinen wahrgenommen. Es sah so aus, als ob die Männer in der Mitte des Kreises geschlagen und getreten werden. Der korpulentere von beiden rief um Hilfe. Ich habe auch gesehen, das einer der Täter mit einer Bierflasche zuschlug. Ob er getroffen hat, kann ich nicht sagen“, berichtete der 27-Jährige. „Es war ja dunkel.“ Erkannt habe er von den schwarz gekleideten Angreifern auch niemanden. Ihm sei lediglich eine junge Frau mit kurzen blonden Haaren aufgefallen. „Sie schlug mit Fäusten auf den dickeren der beiden am Boden Liegenden ein. Als die anderen schon weggegangen waren, kam sie noch einmal zurück und versetzte ihm einen Tritt“, so der Holländer.

Seit dem 20. Dezember vorigen Jahres verhandelt die Schwurgerichtskammer des Landgerichts gegen sechs Neonazis im Alter zwischen 22 und 32 Jahren aus Potsdam und Berlin wegen versuchten Mordes. Parallel dazu läuft vor der Jugendkammer ein Prozess gegen fünf Heranwachsende wegen des selben Tatvorwurfs. Die Staatsanwaltschaft legt den insgesamt 11 Angeklagten zur Last, in jener Nacht den aktiven Linken Tamàs B. (24) sowie seinen Freund Christoph B. (26) mit Tritten, Schlägen und Flaschenhieben in der Friedrich-Ebert-Straße lebensgefährlich verletzt zu haben.

Während die 18-jährige Sandra K. vor der Jugendkammer recht bald zugab, Tamàs B. „aus möglicherweise politischen Motiven“ eine Bierflasche auf den Kopf geschlagen zu haben, belastete der vor dem Schwurgericht angeklagte Marcell Sch. am vorletzten Verhandlungstag den Mitangeklagten Oliver O. schwer. Er sei es gewesen, der die Notbremse zog. Oliver O. habe auch Tamás B. mehrfach gezielt gegen den Kopf getreten, nachdem er durch den Schlag mit der Flasche bewusstlos zu Boden gesackt war.Hoga

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