Landeshauptstadt: Unverständnis über Potsdamer Schnüffel-Praxis
Jeder dritte Finanzbeamte soll unbefugt Daten abgerufen haben. Nun werden Konsequenzen gefordert
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Mit Unverständnis wird in der Landeshauptstadt auf die jüngst bekannt gewordene Schnüffel-Praxis im Potsdamer Finanzamt reagiert. Während Politiker Konsequenzen fordern, bleiben Prominente gelassen. Nach PNN-Recherchen hatte etwa jeder Dritte der 361 Beamten im Potsdamer Finanzamt unbefugt Steuerdaten etwa von Prominenten, Bekannten oder Nachbarn ohne eigene Bearbeitungszuständigkeit abgerufen.
Bei der bisherigen Überprüfung von zehn der fünfzehn Finanzämter durch das Finanzministerium sind laut Finanzminister Helmuth Markov (Linke) zwischen 20 und 50 Prozent der Finanzbeamten, je nach Behörde, mit unbefugten Zugriffen auf Steuerdaten aufgefallen. Das Potsdamer Finanzamt wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern und verwies auf das Finanzministerium, das bis zum Abschluss der Vollkontrolle der Ämter mit einer Stellungnahme warten will. Vom Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) war am Donnerstag keine Stellungnahme zu erhalten. Die Stadtverwaltung wies aber darauf hin, dass das Finanzamt eine Landesbehörde ist.
Korrekturen in der Arbeitsweise der Finanzämter forderte unterdessen der Fraktionschef der Linken in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung und Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg: „Unberechtigte Zugriffe darf es nicht geben. Das Steuergeheimnis sollte gewährleistet werden.“ Das Thema sei bereits im Innenausschuss des Landtags besprochen worden, so Scharfenberg. Nun sollten die Vorfälle aufgeklärt werden.
Auch der Potsdamer Landtagsabgeordnete Steeven Bretz von der oppositionellen CDU, die die Vollkontrolle der Finanzämter als unverhältnismäßig kritisiert hatte, forderte Aufklärung. „Jeder Verstoß gegen das Steuergeheimnis ist einer zu viel. Ich erwarte, dass Behörden auf die Sensibilität der Daten achten“, so Bretz. Sollten sich die Verfehlungen bestätigen, müsse das politische, organisatorische und disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen. Dabei sollte die Datenschutzbeauftragte des Landes, Dagmar Hartge, eingebunden werden.
Hartge hatte zuvor sogar eine Löschung der Ergebnisse gefordert, die die missbräuchlichen Datenabfragen dokumentieren. Brandenburgs Bund der Steuerzahler, der die rund zwei Millionen Steuerzahler im Land vertritt, hatte sich hingegen am Dienstag erschüttert über das Ausmaß der publik gewordenen Verstöße um Steuerdaten im Land geäußert.
Den Potsdamer Modedesigner Wolfgang Joop, dessen Unternehmen „Wunderkind“ ebenfalls in Potsdam ansässig ist, haben die offengelegten Schnüffeleien wenig überrascht. „Das Ganze bestätigt eher unsere Sicht“, sagte Joop. Er habe schon bisher „in dem Bewusstsein gelebt“, dass wohl insbesondere bei bekannten Persönlichkeiten in Ämtern und Behörden viele hinschauten - auch wenn sie es offiziell nicht dürften. „Davon geht man aus“, so Joop. Dass im Potsdamer Finanzamt möglicherweise unbefugt Einblick in seine Steuerdaten genommen worden ist, sieht er daher gelassen: „Ich habe ja nichts zu verbergen.“ mar/SCH
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