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Links und rechts der Langen Brücke: Unzulässiger Vergleich

Michael Erbach warnt davor, die Verbrechen an Ermyas M. und David Fischer gegeneinander aufzurechnen

Stand:

Heimtückischer Mord soll es gewesen sein, als David Fischer in der Charlottenstraße erstochen wurde. Sagen Freunde und Angehörige. Zugleich beklagen sie, dass der Tod des 20-Jährigen vor weit mehr als 100 Tagen von Politik und Medien nicht im gleichen Maße aufgegriffen worden sei, wie der Fall Ermyas M. Grit Poppe, Tante des Opfers, fragt, warum es im Gegensatz zu Ermyas M. nicht zu einem bundesweiten Medienecho gekommen ist. Der Deutsch-Äthiopier Ermyas M. war in der Nacht zum Ostersonntag durch einen Faustschlag lebensgefährlich verletzt worden. Nach der Tat hatte es eine Welle der Solidarität mit ihm und seiner Familie sowie Aktionen und Demonstrationen gegen rechte Gewalt gegeben. Der Grund: Die Ermittler waren zunächst von einer rechtsextremistischen bzw. fremdenfeindlichen Tat ausgegangen, weil sich auf dem Mitschnitt eines Telefongesprächs, das Ermyas M. zur Tatzeit mit seiner Frau führte, rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen befanden. Sogar Bundesanwalt Kay Nehm riss die Ermittlungen zwischenzeitlich an sich, weil er – wohl auch wegen der Fußball-WM – Gefahr für die Sicherheit in Deutschland sah. Beide Tatverdächtigen sind inzwischen wieder auf freiem Fuß, müssen mit einer Anklage wegen schwerer Körperverletzung und Beleidigung bzw. Beihilfe rechnen. Denn im Laufe der Ermittlungen wandelte sich das Bild von Tatablauf und Motiven der Täter. Man kann heute sagen: Wären Ermittler, Medien und Bevölkerung im Fall Ermyas M. schneller und besser im Bilde über den Ablauf und die Umstände der Tat gewesen, dann wäre es auch nicht zu dem gewaltigen Medienecho und zu den Aktionen gekommen – so schwer die Tat immer noch wiegt und so wichtig es auch immer ist, wachsam gegen Rechtsextremismus zu sein. Im Lichte dieser Erkenntnisse Justiz, Politik und Medien vorzuwerfen mit zweierlei Maß zu messen, ist schlichtweg falsch. Politik, Medien und Öffentlichkeit reagieren immer auf der Basis vorliegender Informationen. So geschehen im Fall Ermyas M. – so geschehen im Fall David Fischer. Sicher haben die um David Trauernden das Recht, Fragen aufzuwerfen. Doch Ermyas M. und David Fischer taugen nicht für einen Vergleich, taugen nicht für das Aufrechnen von Schuld und Versagen. Das Auftauchen eines Zettels mit rechtsextremistischen Sprüchen an einem Schaufenster nahe der Mahnwache zeigt vielmehr: Trauer, Wut und Ohnmacht – die zudem in ungeschützte Behauptungen münden – drohen hier nur jenen in die Hände zu spielen, die tatsächlich daraus Kapital schlagen wollen: den Rechten.

Michael Erbach

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