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Landeshauptstadt: Urgesteine der Kleingärtnerei

Der „Krähenbusch“ ist mit 218 Parzellen der zweitgrößte Gartenverein im Stadtgebiet

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Der „Krähenbusch“ ist mit 218 Parzellen der zweitgrößte Gartenverein im Stadtgebiet Von Erhart Hohenstein Brandenburger Vorstadt. Im sozialistischen Wettbewerb lag der „Krähenbusch“ immer ganz vorn. In der Spartenchronik fein säuberlich eingeklebt finden sich mit jeweils 150 Mark Prämie verbundene Urkunden, die den „zusätzlichen Anbau von Spätgemüse“ und sogar den „organisierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“ würdigen. 1984 hatten die Kleingärtner auf 950 Quadratmetern Kulturen unter Glas und produzierten statt der geforderten 100 auf je 100 Quadratmetern 128 Kilogramm Obst und Gemüse. Das war damals eine lohnende Geschichte. Gaben die Gärtner ihre Ernte zu hohen Aufkaufpreisen in die Kaufhalle Potsdam-West und erwarben sie zu den weitaus niedrigeren Einzelhandelspreisen zurück, machten sie beim Verzehren der eigenen Früchte kräftig Gewinn. Groß geschrieben wurde zu DDR-Zeiten die Solidarität mit den „vom Imperialismus unterdrückten Völkern“. Für den Solibasar, der anlässlich des 40. Jahrestages der Bodenreform auf der Freundschaftsinsel stattfand, kamen vom „Krähenbusch“ u.a. 57 Kilo Tomaten, 36 Kilo Birnen und 134 Bund Küchenkräuter. Die Radieschen wuchsen wohl 1985 nicht richtig, denn davon werden nur zehn Bund aufgezählt. Der damalige Vereinsvorsitzende, bei der FDJ-Bezirksleitung in der hohen Funktion des „Sekretärs für Arbeiterjugend“ tätig, hatte allerdings den Begriff Solidarität nicht richtig verstanden, denn er versoff, um es deutlich auszudrücken, trotz seines Spitzeneinkommens die Spenden, insgesamt fast 4000 Mark. Da kannte die DDR-Justiz keinen Spaß und verknackte ihn zu einem Jahr und sechs Monaten. Der heutige Vorsitzende Tilo Bettmann, der 1989 das Ruder im „Krähenbusch“ übernahm, hat längst das Vertrauen in den Vorstand wieder hergestellt. Dazu trug das energische Auftreten im letztlich siegreichen Potsdamer „Kleingartenkrieg“ bei, als die großen Anlagen in Potsdam-West mit Hotels und Stadtvillen bebaut werden sollten. Den Taxifahrer plagen jetzt andere Sorgen: Die im Bundeskleingartengesetz vorgeschriebene Regelung, ein Drittel der Parzelle als Beetfläche mit Gemüse und Obst zu bestellen, ist schwer durchzusetzen. Ein echter Kleingärtner freut sich über die selbst gezogene Ernte, andere aber möchten den Garten mit viel Rasen, Schwimmbecken und Grillplatz nur für die Erholung nutzen. In einer 30-Mitglieder-Sparte kann der Vorstand relativ leicht die rechtlichen Vorschriften durchsetzen, in dem mit 218 Parzellen zweitgrößten Potsdamer Kleingartenverein ist das nicht so einfach. Manche Mitglieder erfinden sogar neue Messsysteme, um den geforderten Anteil nachzuweisen. Auch die Nachbarschaftststreitigkeiten haben in in einer Zeit zugenommen, wo sich (fast) jeder selbst der Nächste ist. Wurde früher das Problem überhängender Hecken in freundschaftlichem Gespräch zwischen den Nachbarn geklärt, wird heute ein Rechtsanwalt bemüht. Manchmal wirkt es schon wie ein kleines Wunder, dass der ehrenamtliche tätige Vorstand, dem mit dem 73-jährigen Mustergärtner Wilhelm Weitze und dem sieben Jahrzehnte alten Schatzmeister Jürgen Schümann zwei Urgesteine der Potsdamer Kleingärtnerei angehören, die Anfang der 30er Jahre auf einer Müllkippe kultivierte Anlage als großes öffentliches Naherholunggebiet mit fast ausschließlich gut gepflegten Gärten erhalten haben, das besonders von den Bewohnern des Plattenbaugebietes in Potsdam-West angenommen wird. Gerade ist die Vereinsgaststätte „Zur Krähe“ an einen neuen Pächter vergeben worden. Er will sie durch solides, preiswertes Essen und mancherlei „Events“ bis hin zum bevorstehenden Garten- und Sommerfest wieder in Schwung bringen.

Erhart Hohenstein

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