Landeshauptstadt: Vater der Demoskopie vor Gericht
Betrugsprozess gegen Klaus Liepelt begann
Stand:
Er gilt als Vater der deutschen Meinungsforschung – seit dem gestrigen Montag muss sich Klaus Liepelt, einst Chef des Meinungsforschungsinstituts Infratest, in Potsdam vor dem Landgericht verantworten. Liepelt (79) sowie einem mitangeklagtem Rechtsanwalt (65) und einer 69-jährigen Frau wird vorgworfen, bei der Gründung des Meinungsforschungsinstituts Ifes in den Roten Kasernen in der Nedlitzer Straße in Potsdam Kapitalanleger um mehrere Millionen Euro betrogen zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Betrug und Untreue im Zeitraum von 1999 bis 2004 im Zusammenhang mit der Gründung des Instituts für empirische Sozialforschung (Ifes) in Potsdam vor. Der Prozess dauerte zum Auftakt nur kurz, es wurde ein Befangenheitsantrag gestellt.
Laut Anklage war seinerzeit eine Aktiengesellschaft gegründet worden, um das Institut zu finanzieren. Dieses sollte im Bereich der empirischen Medien-, Politik-, Sozial- und Wirtschaftsforschung tätig sein. Anleger investierten laut Anklage Millionensummen in die Gesellschaft. Diese kam jedoch nicht zustande. Für den Prozess sind zunächst elf Verhandlungstage geplant. Ein Urteil soll Ende Juni gesprochen werden. Im Juni 2005 hatten Fahnder in Potsdam, Berlin, Hamburg, Köln, Leverkusen, Düsseldorf sowie im Raum Lübeck und bei Merseburg Wohnungen und Büros durchsucht.
Die Meinungsforscher um Liepelt hatten große Pläne: 30 000 Haushalte in Deutschland sollten unentgeltlich mit Kleinstcomputern (Panelboxen) ausgestattet, mit der Ifes in Potsdam verbunden werden und Daten über Konsumverhalten liefern. Doch die Ifes-Leute hatten selbst nicht genügend Geld. Daher wollten sie sich, so die Ermittler gestern, 50 Prozent der Investitionen in Höhe von 30 Millionen D-Mark von der Investitionslandesbank Brandenburg (ILB) fördern lassen. Doch im ersten Anlauf schlug dies 1996 fehl: Die ILB durfte nur fördern, wenn die geförderten Güter mindestens drei Jahre im Unternehmen bleiben. Doch die teuren Computer-Boxen sollten ja kostenlos in deutschen Wohnzimmern stehen und nicht bei der Ifes. Und dafür gab es keine Investitionsgelder. Ein zweiter Förderantrag an die ILB wurde 1999 dann bewilligt. Die Ermittler gingen davon aus, dass Ifes dabei gezielt manipuliert hat. So soll eine Scheinfirma im Ausland Rechnungen und Kostenvoranschläge für erfundene Leistungen über 40 Millionen Mark geschrieben haben, womit wiederum die Ifes im Förderantrag an die ILB den Finanzbedarf von 30 Millionen Mark und somit 15 Millionen Mark an Fördergeldern belegt habe. Peter Tiede (mit dpa)
Peter Tiede (mit dpa)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: