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Landeshauptstadt: Vaterfigur der Linken

Gestern wurde Antifaschist Otto Wiesner auf dem Neuen Friedhof zu Grabe getragen

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Teltower Vorstadt - Gestern wurde auf dem Neuen Friedhof der im Alter von 95 Jahren verstorbene Antifaschist Otto Wiesner zu Grabe getragen. Er galt als eine Vaterfigur der Potsdamer Linken, die zahlreich zur Trauerfeier erschienen war. Am Grabe standen auch PDS-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, die ehemalige Oberbürgermeisterin Brunhilde Hanke und der Sprecher der Kampagne gegen Wehrpflicht, Lutz Boede. Die Trauerrede hielt der frühere PDS-Bundestagsabgeordnete Rolf Kutzmutz, der den Verstorbenen als „Kämpfer für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden“ würdigte. Mit seiner reichen Lebenserfahrung habe er in seiner gütigen Art bis kurz vor dem Tode seinen Gesinnungsgenossen zur Seite gestanden.

Der am 14. August 1910 in Hamborn (Rheinland) in einer kinderreichen Arbeiterfamilie geborene Otto Wiesner war bereits als 16-Jähriger dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) beigetreten und wegen des von ihm im Ruhrgebiet organisierten Widerstandes gegen die Nationalsozialisten im Jahre 1934 verhaftet worden. Elf Jahre musste der gelernte Schriftsetzer in Zuchthäusern und Konzentrationslagern erleiden, ehe er am 5. Mai1945 aus dem KZ Mauthausen befreit wurde. Über diese Zeit hat er bis ins hohe Alter in Erzählungen und Gedichten, aber auch in ungezählten Gesprächen mit Schülern berichtet.

Dass Wiesner die Erinnerung an die nationalsozialistische Gewaltherrschaft wach gehalten hat, sieht auch Oberbürgermeister Jann Jakobs als Hauptverdienst des Kommunisten. Er sei stets für Toleranz und Mitmenschlichkeit eingetreten, erklärte er in einer Ansprache. Potsdam fühle sich verpflichtet, sein Erbe zu bewahren und zu nutzen.

Nach 1945 war Wiesner zunächst Landesvorsitzender der Jugendorganisation FDJ und später ihres Leitungsgremiums, des Zentralrates. Ab 1950 arbeitete er beim Zentralkomitee der SED. 1955 wurde Wiesner Leiter der Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens Schloss Cecilienhof, danach wissenschaftlicher Mitarbeiter des in Potdam untergebrachten Deutschen Zentralarchivs.

Von Jugend an hatte Otto Wiesner Gedichte und Erzählungen geschrieben. 1960 wurde er in den Schriftstellerverband der DDR aufgenommen. Zu seinen bekanntesten Büchern zählt „Ein Unerwünschter kehrt zurück“ (2000), in dem er seine persönlichen und politischen Erfahrungen aufgearbeitet hat.

Auf der Trauerfeier und am Grabe des Verstorbenen wurden gestern Gedichte rezitiert, die die lebensbejahende Einstellung Wiesners und seine enge Verbindung mit der jungen Generation verdeutlichen. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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