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Landeshauptstadt: Verbotener Genreis, verdorbene Wurst

Jedes zweite Lebensmittel-Unternehmen beanstandet / 18 Strafanzeigen /Neues „Hygienepaket“ soll helfen

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Potsdams Lebensmittelbranche braucht offenbar Nachhilfe in Sachen Hygiene: Jeder zweite Betrieb der Landeshauptstadt genügt nicht den Anforderungen der Lebensmittel-Kontrolleure. Rund 1492 Unternehmen haben sie im vergangenen Jahr überprüft, 821 davon mussten sie beanstanden – so die Bilanz des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes. Gestern hat sie Amtschefin Renate Lehmann der Presse vorgestellt.

18 Strafanzeigen haben die Potsdamer Lebensmittelüberwacher 2006 gestellt, weil Speisen verdorben waren. Es handelte sich dabei um Eis, Wurst, chinesische Schnellgerichte, Nudeln und Kräuterquark, sagte Lehmann. In drei Fällen seien nachweislich Menschen daran erkrankt. Den Verantwortlichen drohen nun je nach Richterspruch Geldstrafen oder sogar die Schließung ihres Betriebs.

Renate Lehmann und ihre zehn Mitarbeiter waren im vergangenen Jahr in 104 Kantinen und Großküchen im Einsatz, in 331 Gaststätten, 129 Supermärkten und Geschäften, aber auch in Pflegeheimen, Imbissbuden, bei Fleischern und Bäckern sowie Süßwarenherstellern. Am häufigsten haben sie dabei Fleischprodukte untersucht. Bei diesen hatten sie – gefolgt von Milchprodukten sowie Eis und Desserts – auch am meisten zu beanstanden: In einem Drittel der bemängelten Warenproben waren bereits Keime und Krankheitserreger vorhanden. Bei einem weiteren Drittel hatten Anbieter gegen die Kennzeichnungsvorschriften verstoßen.

Zudem waren vergangenes Jahr 78 Potsdamer Unternehmen mit Waren beliefert worden, vor dem das Verbraucherschutzministerium gewarnt hatte: In drei Fällen haben die Lebensmittelexperten der Landeshauptstadt „die angeschuldigten Produkte“ gefunden und aus dem Verkehr gezogen: Nudeln aus verbotenem Genreis, Sahnespritzbeutel mit Weichmachern und verschimmelte Süßwaren.

Unzufrieden waren die Lebensmittel-Experten aber auch, was die Einhaltung der neuen Lebensmittelgesetze angeht. Mehr als ein Drittel der beanstandeten Betriebe hat sich 2006 nicht an das so genannte „Hygienepaket“ gehalten, das seit vergangenem Jahr europaweit gilt.

Erklärtes Ziel der neuen Vorschriften: „Lebensmittel sollen sicher und bekömmlich sein.“ So müssen die Unternehmen dieser Branche nun „Eigenkontrollkonzepte“ erstellen. Und sie müssen genau dokumentieren, welcher Mitarbeiter wann beispielsweise die Temperatur an der Salatbar oder im Kühlhaus geprüft hat. Zusätzlich müssen sie jeden Lieferschein aufheben, damit der Weg der Lebensmittel bis zum Hersteller zurückzuverfolgen bleibt. Außerdem müssen die Mitarbeiter nun regelmäßig an Hygiene-Schulungen teilnehmen.

Geändert hat sich auch das amtliche Vorgehen: Gab es früher beispielsweise die Vorschrift, dass Fleischer viermal im Monat überprüft werden müssen, entscheiden die Kontrolleure jetzt selbst, wie oft sie welches Unternehmen besuchen. „Das reicht von einmal täglich bis einmal im Jahr – je nach Hygiene-Standard im Betrieb“, erklärt die Leiterin der Lebensmittelüberwachung, Annett GeorgiPröhl. Maßstab ist dabei ein EU-weit einheitliches Punktesystem.

Nach dem haben Potsdams Kontrolleure bisher fast 80 Prozent der insgesamt 2000 Lebensmittel-Unternehmen bewertet: Und zwar nicht nur Supermärkte und Gaststätten, sondern auch Bauern, Imker und Futter-Hersteller sowie Tier- und Lebensmitteltransporteure: Denn die Kontrollkette soll künftig „vom Feld bis auf den Teller“ reichen, so Lehmann.

Derzeit schätzen sie und ihre Kollegen die Hygienesituation in Potsdam aber trotz aller Mängel als „zufriedenstellend bis gut“ ein. Vergleiche zu anderen Kommunen könne das Potsdamer Amt aber nicht ziehen.

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