Landeshauptstadt: Verdacht der Nötigung am Bertiniweg
Zufahrt für Anwohner durch Bauarbeiten gesperrt: Neue Klage / Stadt: B-Plan sieht nur „Gehrechte“ vor
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Nauener Vorstadt - Die Entwicklung der Bertiniweg-Grundstücke verläuft weiter in Konfrontation mit den Anwohnern. Wie jetzt bekannt wurde, ermittelt die Polizei nach einem Vorfall, der sich am 5. Mai am Bertiniweg ereignete, wegen Nötigung. Ein Vertreter der Grundstückseigentümer soll nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Bertiniweg-Anwohner in sein Auto gestiegen und auf den 71-jährigen Anwohner zugefahren sein. „Er berührte dabei den Mann leicht mit dem Stoßfänger an den Knien“, teilte Polizeisprecherin Katrin Laurisch auf PNN-Anfrage mit. „Dann legte der Beschuldigte den Rückwärtsgang ein und verließ das Grundstück“, so die Polizeisprecherin weiter. Und: „Da der Beschuldigte dem Eindruck vor Ort nach nicht hätte vorwärts fahren müssen und der 71-Jährige auch nicht zu übersehen war, ist davon auszugehen, dass er den Mann durch das Anfahren zum Verlassen des Grundstückes nötigen wollte.“ Der Beschuldigte bestreitet eine Nötigung.
Bei dem Anwohner handelt es sich um den seit vielen Jahren für einen Trinkwasserbrunnen Verantwortlichen. Er schritt nach Angaben der Polizeisprecherin ein, als Vertreter der BTW GmbH die Schutzzäune um den Brunnen abzureißen begannen. Katrin Laurisch: „Der Beschuldigte wurde darauf hingewiesen, dass das Grundstück samt Brunnen bestimmten Richtlinien unterliegt. Dazu gehört, dass nur ein bestimmter Personenkreis das umfriedete Grundstück betreten darf und der Zaun, der den Trinkwasserbrunnen umfriedet, stehen bleibt.“ Wie die Stadt Potsdam auf PNN-Anfrage mitteilte, sei die BTW GmbH „von der Amtsärztin auf die Möglichkeit einer Trinkwassergefährdung hingewiesen und aufgefordert worden, die Einzäunung der Fassungszone wiederherzustellen“.
Wie die Polizeisprecherin weiter informierte, stehe die Aussage des Beschuldigten noch aus. Dieser teilte den PNN mit, er kenne „diese behaupteten konkreten Vorwürfe nicht“, da er bisher noch keine Akteneinsicht bekommen habe. Er versichere jedoch, dass er „niemanden zu irgendetwas genötigt habe. Nach PNN-Informationen ist der Beschuldigte nicht direkt an der BTW GmbH beteiligt.
Die BTW GmbH hatte im Frühjahr 2011 knapp 12 000 Grundstücke am Bertiniweg in der Nauener Vorstadt für 875 000 Euro von der Stadt gekauft. Der geringe Kaufpreis von 74,40 Euro pro Quadratmeter führte zu kritischen Nachfragen von Stadtverordneten. Wolfhard Kirsch (Bürgerbündnis): Entweder liege „hochgradiger Dilettantismus oder Korruption“ vor (PNN berichteten). Staatsanwaltschaftliche Vorermittlungen führten jedoch zu keinem Tatverdacht.
Indes haben sowohl das Potsdamer Amts- als auch das Landgericht in Eilverfahren festgestellt, dass die Anwohner ein Vorkaufsrecht für ihre von der Stadt gepachteten Grundstücke besitzen. Nach politischem Druck nutzte Bürgermeister Burghard Exner (SPD) die Tatsache aus, dass die Kommunalaufsicht den Deal zwischenzeitlich als unwirksam erklärte, und ermöglichte den Betroffenen, ihre Grundstücke doch noch zu kaufen.
Befriedet ist die Situation am Bertiniweg deshalb nicht: Die Gefährung des Trinkwassers hält solange an, bis entweder der Schutzzaun wieder errichtet oder die Anwohner an das Trinkwassernetz der Stadt angeschlossen sind. Die entsprechenden Bauarbeiten sind derzeit im Gange – und führen zu neuen Problemen für die Anwohner. Eine Anwohnerfamilie kann im Zuge der Bauarbeiten ihr Einfamilienhaus nicht mehr mit dem Auto erreichen. An diesem Zustand soll sich nach Mitteilung der Stadt auch nichts ändern, wenn die Rohre in der Erde liegen. Der Weg, den die Betroffenen seit eineinhalb Jahrzehnten als Zufahrt für ihr in den 1990er Jahren mit Baugenehmigung der Stadt errichtetes Haus benutzen, ist „nach Auffassung der Landeshauptstadt Potsdam kein öffentlich gewidmeter Weg“, teilte Stadtsprecherin Regina Thielemann mit. Im Bebauungsplan Nr. 60 „Bertinistraße“ sei jedoch „ein öffentliches Gehrecht festgesetzt“ worden. Eine Justiziarin der Stadt soll gegenüber den Anwohnern erklärt haben, falls sie etwas dagegen hätten, könnten sie getrost den Klageweg beschreiten. Nach PNN-Informationen werden die Anwohner diesem Rat folgen. Guido Berg
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