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Landeshauptstadt: Verdrängen durch Sanieren

Lutz Boede und Rainer Baatz informierten in Babelsberger Kiezkneipe

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Babelsberg – Bleibt Babelsberg bezahlbar? Diese Frage hatte die Stadtfraktion Die Andere Dienstagabend als Aufhänger für eine Diskussion in der Kneipe in der Großbeerenstraße 5 gewählt. Mit „bezahlbar“ waren vor allem die Mieten gemeint. Unter der Gesprächsführung von Lutz Boede stand Sanierungs-Manager Rainer Baatz, Chef des Babelsberger „Stadtkontor“, Rede und Antwort.

Bei einem Wohnungsleerstand von nur 1,5 Prozent, den Boede nennt, lässt sich die Eingangsfrage scheinbar eindeutig mit „Ja“ beantworten. Wie Baatz mitteilt, sind in den vergangenen 15 Jahren 80 Prozent des Wohnungsbestandes in den beiden Babelsberger Sanierungsgebieten auf Vordermann gebracht worden. Es gebe keinerlei Probleme, sanierte Wohnungen zu vermieten oder zu verkaufen. Die Sanierung habe allerdings eine negative Seite, sie führe zu erheblichen Mietsteigerungen und damit zur Verdrängung der angestammten Bewohner. Die Hoffnung, dass zunehmende Sanierung und Bereitstellung von Wohnraum zu Mietsenkungen führen werde, habe sich nicht erfüllt. Die Nachfrage sei zu groß.

Einer der Diskussionsteilnehmer äußert folgende Vorstellung über ein Sanierungsgebiet: In einem Sanierungsgebiet erhalten die Hauseigentümer Zuschüsse, so dass sie trotz Modernisierung die Mieten auf „bezahlbarem“ Niveau halten können. Wie Baatz klar macht, ist eine solche Vorstellung Schnee von gestern. Er berichtet, dass in den neunziger Jahren in Babelsberg 160 Wohnungen mit öffentlichen Mitteln saniert wurden und anschließen eine Mietbindung bei fünf Euro pro Quadratmeter erhielten. „Diese Wohnungen gibt es heute noch“, sagt Baatz. Wenn aber, so die Erfahrung, eine Familie mit zwei oder gar drei Kindern eine Wohnung in Babelsberg sucht, muss sie einen monatlichen Mietzins von mehr als tausend Euro berappen. Es gibt keine Obergrenzen mehr und keine Förderung. Für zwei „Objekte“ ringe Stadtkontor mit dem Land um eine Förderung mit anschließender Mietbindung. Baatz: „Ein Tropfen auf den heißen Stein.“

In der reichlich verrauchten Atmosphäre der Kiez-Kneipe brachte Boede die Vorstellung ins Spiel, das „Maß der Sanierung“ zu beschränken, um die Mieten auf verträglichem Niveau zu halten: keine Messingbeschläge an den Türen und Ölgemälde im Hausflur, eine bescheidene Dusche statt einer Luxuswanne. Aber diesen Gedanken führte Baatz ad absurdum. Die meisten Kosten verursache nach seiner Darstellung die bei der vernachlässigten Bausubstanz erhebliche „Substanzsanierung“. Goldene Armaturen würden nur marginal den Mietpreis beeinflussen.

Was können Mieter tun, um das Maß der Sanierung zu beeinflussen? Ängste gibt es vor allem im Bereich Glasmeister- und Daimlerstraße, wo die Wohngesellschaft ProPotsdam im nächsten Jahr 116 Altbauwohnungen modernisieren will. Boede rät den Betroffenen, ihre Forderungen geltend zu machen, wenn die Modernisierungsankündigung des Vermieters vorliegt. Die Modernisierung könne nämlich erst in Angriff genommen werden, wenn Einvernehmen mit den Bewohnern erzielt worden ist. Der Mieter solle seine berechtigten Interessen konsequent vertreten, den Mietvertrag nicht überstürzt kündigen und das Feld räumen. Die Kneipen-Angst, dass „Hartz-Vier-Empfänger“ die ersten Opfer von Verdrängung sein könnten, scheint nicht begründet: Bekanntlich müssen Bezieher von Arbeitslosengeld II keine Miete zahlen.

Günter Schenke

Günter Schenke

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