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Aus dem GERICHTSSAAL: Verfeindete Brüder

Tod der Erbtante hatte gerichtliches Nachspiel

Stand:

„Ich habe meiner Mutter nie etwas Böses angetan. Und ich habe auch meinem Bruder nicht gedroht, ihm eine Aids-Spritze in den Rücken zu jagen“, beteuert Jürgen J.* (53) in seinem letzten Wort vor dem Urteilsspruch. Der lautet auf Freispruch – wenn auch in dubio pro reo. „Es fehlt dem Gericht an objektiven Zeugen in dieser zerstrittenen Familie, um die Täterschaft des Angeklagten zweifelsfrei nachzuweisen“, befindet die Vorsitzende des Schöffengerichts Reinhild Ahle nach dreitägiger Verhandlung.

Der Tod von Erbtante Dorothea D.* Anfang 2008 zog eine erbitterte Familienfehde nach sich. Als Wolfgang J.*, der Bruder des Angeklagten, zum Verwalter des vermeintlich beträchtlichen Nachlasses eingesetzt wurde, soll dieser wie Eis in der Sonne geschmolzen sein. Jürgen J. bezichtigte den Bruder der Veruntreuung von rund 200 000 Euro, erstattete gar Strafanzeige. Wolfgang J. revanchierte sich. Er erklärte gegenüber der Polizei, Jürgen habe ihn am 26. Oktober 2008 aufgefordert, binnen einer Woche 25 000 Euro auf den Tisch zu legen. Ansonsten werde er ihm eine aidsverseuchte Spritze verpassen. Bereits im Juni soll Jürgen J. seine im Kirchsteigfeld lebende 83-jährige Mutter genötigt haben, ihm 10 000 Euro auszuhändigen. Würde sie ihm das Geld nicht geben, werde er Wolfgang „rollstuhlreif“ schlagen.

Jürgen J. – angeklagt wegen vollendeter sowie versuchter räuberischer Erpressung – hatte die Vorwürfe am ersten Verhandlungstag bestritten. Er berichtete, seine Mutter habe ihm die 10 000 Euro freiwillig gegeben. Das sollte er weder seinem Bruder Wolfgang noch den beiden Schwestern verraten. Von Wolfgang selbst habe er kein Geld verlangt. „Das mit der Aids-Spritze hat er sich ausgedacht. Ich vermute, das ist ein Racheakt, weil ich ihn bei der Steuerfahndung angezeigt habe“, so der Angeklagte.

Im Zeugenstand würdigt Wolfgang J. seinen angeklagten Bruder keines Blickes. Er wiederholt seine bereits bei den Ermittlungsbehörden vorgebrachten Beschuldigungen. Vehement wendet er sich dagegen, Geld veruntreut zu haben. „Meine Geschwister glauben, dass unsere Tante bei ihrem Tod ein großes Vermögen besaß. In Wahrheit hat ihr Erspartes gerade so für die Beerdigung gereicht“, versichert der Potsdamer vor Gericht.

Die betagte Mutter der zerstrittenen Brüder – sie wurde von der Vorsitzenden am zweiten Verhandlungstag zu Hause befragt – bestätigte, ihrem Sohn Jürgen die 10 000 Euro geschenkt zu haben. Der habe ihr daraufhin versprochen, es werde künftig Frieden zwischen den Brüdern herrschen. „Ich will meinen Bruder nie wieder sehen“, verkündet Jürgen J. zum Ende des Prozesses – auch eine Möglichkeit, dass es jetzt ruhiger in der Familie zugeht. (*Namen geändert.) Hoga

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