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Landeshauptstadt: Verfolgungsjagd vor der Haustür

Ein Potsdamer Student bekam die Jagd auf den Bostoner Attentäter hautnah mit. Seine Wohnung durfte er nicht verlassen

Von Katharina Wiechers

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Eigentlich wollte der Potsdamer Martin Boissier am Freitagmorgen wie gewohnt zu seinem derzeitigen Arbeitsplatz am Institute of Technology der Universität Massachusetts (MIT) gehen. Doch der junge Mann durfte seine Wohngemeinschaft im Bostoner Vorort Brookline nicht verlassen: In seiner Nachbarschaft jagten Tausende Einsatzkräfte den mutmaßlichen Attentäter von Boston. Laut Polizei ein gefährlicher Mann, noch dazu bewaffnet.

Per E-Mail sei er durch das MIT informiert worden, dass er seine Wohnung nicht verlassen solle, erzählte Martin Boissier den PNN am Telefon. Das komplette Gebiet rund um seine Wohnung sei abgesperrt worden, Busse und Bahnen würden nicht fahren, alle Geschäfte seien geschlossen. Er und seine Mitbewohner seien deshalb zu Hause geblieben und verfolgten gespannt die Nachrichten im Fernsehen.

Der gebürtige Hennigsdorfer ist Masterstudent am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut (HPI) – im Fachbereich von SAP-Mitbegründer und Mäzen Hasso Platter, der das HPI privat finanziert und dort selbst als Professor tätig ist. Seit Oktober ist er in Boston, um in Kooperation mit dem MIT seine Masterarbeit zu schreiben. Auch am Donnerstagabend war er auf dem Campus, also genau zu dem Zeitpunkt, als es dort zu einer Schießerei gekommen war. Einer der mutmaßlichen Bombenleger soll dabei einen Campus-Polizisten erschossen haben. „Als ich mich gegen 2 Uhr morgens auf den Heimweg gemacht habe, waren überall Polizisten und viele Helikopter“, sagte Martin Boissier. Als er zu Hause in Brookline ankam, realisierte er erst, dass er dem Attentäter möglicherweise um ein Haar über den Weg gelaufen wäre.

Auch der Anschlag während des Marathon-Laufs am Montag steckt dem jungen Mann noch in den Knochen. „Als es passiert ist, waren wir in der Arbeit“, sagte er. Nach und nach seien die Informationen durchgesickert, die Leute seien voller Angst gewesen. „Fast jeder kannte irgendwen, der mitgelaufen ist oder zugeschaut hat.“ Lange Zeit habe Unsicherheit geherrscht, weil viele Läufer kein Handy dabei hatten und wegen der Sperrungen nicht eben nach Hause gehen konnten, um Entwarnung zu geben.

Bei der Explosion von zwei Bomben im Zielbereich des traditionsreichen Marathonlaufs waren drei Menschen getötet worden, rund 180 wurden zum Teil schwer verletzt. Am Donnerstagabend veröffentlichte das FBI Fotos von zwei 19 und 26 Jahre alten Brüdern, die dafür verantwortlich sein sollen. Die ursprünglich aus Tschetschenien stammenden Männer verfielen offenbar in Panik: Kurz nach dem Zwischenfall auf dem MIT Campus am Donnerstagabend wurde ein Überfall auf ein Geschäft in der Gegend gemeldet. Anschließend wurde ein Autofahrer samt Mercedes gekidnappt, der aber 30 Minuten später wieder unverletzt freigelassen wurde. Als die Polizei ihnen dann auf den Fersen war, lieferten die Brüder sich mit den Fahndern eine Verfolgungsjagd, bei der sie mehrere Sprengsätze aus dem Auto warfen. Straßenblockaden stoppten sie schließlich. Während der ältere Bruder schwer verletzt wurde und kurz darauf starb, entkam der jüngere.

Seinen Aufenthalt abbrechen will Martin Boissier trotz der Ereignisse nicht. Er sei zuversichtlich, dass bald wieder mehr Ruhe einkehrt, wenn auch der zweite Täter gefasst ist, sagt er.

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