Landeshauptstadt: Vergessene Partisaninnen
13 Potsdamer Jugendliche untersuchten, wie Frauen in Jugoslawien gegen die NS-Herrschaft kämpften
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Es hört sich an wie ein historischer Thriller: Eine Frau, die einen Nazi-Oberen ausspionieren soll und ihn später tötet. Diese Geschichte ist Christian Theuerl in Erinnerung geblieben. Doch, sagt der Potsdamer: Solche Frauen spielen keine Rolle in der Geschichte. Männer führen Kriege, Männer verhandeln Frieden. Und auch die Autoren von Geschichtsbüchern sind Männer. Frauen haben da keinen Platz. Zu Unrecht, findet Theurl, als er von seinen Erfahrungen eines Jugendprojekts berichtet, das die Rolle von Frauen in Jugoslawien während des Zweiten Weltkriegs untersucht: „Es war unglaublich, wie mutig sich Frauen damals gegen den Faschismus gestellt haben.“ Solche und andere Ergebnisse versuchen der 30-jährige Projektleiter und 13 Potsdamer zwischen 18 und 23 Jahren nun zu ordnen, zu „Bildungsmaterial“ aufzuarbeiten. „Wir möchten Geschichte interessant verpacken, dass sich auch andere Jugendliche dafür interessieren“, sagt Theurl.
Die Idee zu dem Projekt ist in der Rudolf-Breitscheid-Straße 164 entstanden: Im Soziokultur-Zentrum des Vereins zur Förderung innovativer Wohn- und Lebensprojekte (Inwole) e.V., dass für Theurl gleichzeitig Wohnstätte ist: „Wir wollten in unserem alternativen Hausprojekt von Anfang an solche Bildungsarbeit machen.“ Die Förderung für das Projekt mit den jugoslawischen Frauen kam dabei von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ der Bundesregierung und der Deutschen Wirtschaft. „Damit konnten wir zum Beispiel eine Reise nach Jugoslawien zu unserer Partnergruppe nach Novi Sad finanzieren“, sagt Theurl.
Dort vor Ort musste innerhalb von zehn Tagen der wichtigste Teil der Arbeit passieren: Jugoslawische Museen auf ihren Umgang mit der weiblichen Geschichte des Widerstands gegen das NS-Regime untersuchen – und Zeitzeuginnen zu ihren Erinnerungen befragen. „Unter den sechs interviewten Frauen waren einige direkt aus der Partisanenbewegung, andere waren beim zivilen Widerstand.“ Denn wie sich Frauen gegen den Nationalsozialismus engagierten, sei sehr unterschiedlich gewesen: Viele seien Sanitäter gewesen, manche hätten sich dagegen um die Alphabetisierung der Männer und Kinder gekümmert, politische Aufklärungsarbeit geleistet. „Und natürlich kämpften auch manche direkt oder spionierten“, so Theurl. Doch seien diese Aspekte in den Museen Serbiens nicht erwähnt – gerade deswegen sei das Projekt den Potsdamer Teilnehmern noch wichtiger geworden.
Und: Mit der Beschäftigung, wie früher gegen den Faschismus gekämpft wurde, habe man zum Widerstand gegen den Rechtsextremismus vor Ort überleiten können. „Auch heute muss man, besonders in der Provinz, oft mutig sein, um rassistischem Denken zu widersprechen“, sagt Theurl. Doch wie weit darf der Kampf gegen Rechts gehen – sogar bis hin zu Gewalt gegen Neonazis? Was sagten eigentlich die Frauen darüber, dass sie damals Menschen umbrachten? Da hält Christian Theurl kurz inne: „Natürlich hätte jede Frau gern so eine Tat vermieden.“ Solche Momente seien für sie noch immer „extrem traumatische Ereignisse“. Heute jedoch sei zumindest aus Sicht seiner Gruppe solche Gewalt ausgeschlossen, schon weil die Situation in Deutschland ganz anders sei als zwischen 1941 und 1945 im fremdbesetzten Jugoslawien. Für ihn wie die Gruppe gelte: „Sitzblockaden gegen NPD-Demos oder das Beschützen von Ausländern bei Angriffen, dass halten wir für legitim, dazu möchten wir die Leute ermutigen.“ H. Kramer
H. Kramer
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