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Landeshauptstadt: Vergessenes Gedenken

Nur wenige Potsdamer bei der offiziellen Veranstaltung zum gestrigen Volkstrauertag

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Innenstadt – Hier an diesem Gedenkort könne man sich besonders deutlich bewusst machen, wie gut es einem heutzutage gehe, sagt René Richter. Der 31-jährige Potsdamer steht gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Conny Möller an der Kriegsgräberstätte auf dem Neuen Friedhof in der Heinrich-Mann-Allee. Wenige Minuten zuvor haben hier anlässlich des diesjährigen Volkstrauertages unter anderem Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der Botschafter der Tschechischen Republik Rudolf Jindrák sowie der Vorsitzende der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung Peter Schüler (Bündnisgrüne) Kränze niedergelegt.

Er frage sich, ob eine solche Kranzniederlegung fast 70 Jahre nach Kriegsende eigentlich nur noch „ein Akt der Höflichkeit“ sei, sagte Richter gestern. Es gebe schließlich immer weniger Menschen, die den Krieg noch selbst miterlebt hätten. Und dennoch, das sehe auch er so, könne man sich im heutigen Europa glücklich schätzen über den schon lange währenden Frieden auf dem Kontinent.

Als einen Glückszustand bezeichnete Matthias Platzeck in seiner gestrigen Rede zum Volkstrauertag den seit fast 70 Jahren andauernden Frieden in Mitteleuropa. Diese lange Friedenszeit dürfe keineswegs als selbstverständlich angesehen werden, sagte der Ministerpräsident in der großen Feierhalle auf dem Neuen Friedhof in Potsdam. Auch wenn es in Zeiten der europäischen Schuldenkrise bei den Verhandlungen in Brüssel oft „nur noch ums Geld“ gehe, dürfe man die friedenstiftende Kraft der Europäischen Union nicht gering schätzen. Frieden sei nicht einfach ein Zustand, sondern müsse täglich erarbeitet werden, wie der aktuelle Nahostkonflikt deutlich zeige. Insofern sei der Volkstrauertag nicht nur ein Gedenktag, sondern auch ein in die Zukunft weisendes Datum.

Der Potsdamer René Richter zweifelte dagegen an der mahnenden Kraft der Vergangenheit: „Ich glaube, das weist immer weniger in die Zukunft.“ Trotzdem seien er und seine Lebensgefährtin ganz bewusst am Volkstrauertag zur Kriegsgräberstätte auf den Neuen Friedhof gekommen. Dieser Gedenkort rege ihn zum Nachdenken an, meinte Richter, der selbst einmal Berufssoldat bei der Bundeswehr werden wollte.

Unter den Potsdamern scheint das Gedenken an die Toten der vergangenen Weltkriege indes langsam in den Hintergrund zu treten: Viele der nur etwa 50 Teilnehmer an der gestrigen Gedenkveranstaltung waren – als Soldaten oder Politiker – von Berufs wegen gekommen. Der Volkstrauertag wurde auf Anregung des Volksbunds Deutscher Kriegsgräberfürsorge 1922 zum ersten Mal begangen. Er ist heute ein staatlicher Gedenktag für die Kriegstoten und Opfer von Gewaltherrschaft weltweit. H. Catenhusen

H. Catenhusen

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