Landeshauptstadt: Verirren leicht möglich
Tour durch das Stadthaus mit seinen 478 Räumen
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Innenstadt - 100 Jahre alt wurde im Januar der neobarocke Prachtbau der preußischen Provinzialregierung, der seit 1954 als Rathaus genutzt wird. In seinen langen Korridoren, von denen nicht weniger als 478 Räume abgehen, kann man sich leicht verirren. Selbst Sigrid Sommer hatte anfangs Mühe, den Ausgang zu finden. Die Marketingchefin der Stadtverwaltung begrüßte am Sonnabend an die 50 Potsdamer, die das Angebot einer Führung durch das Haus nutzten.
Benno Oelke zeigte zehn ausgewählte Räume. Mit dem Bauingenieur vom Kommunalen Immobilienservice (KIS), der den Rathausbau betreut, konnten sich die Besucher allerdings nicht verlaufen. Er kennt jeden Winkel des 105 Meter breiten, 130 Meter tiefen und 45 Meter hohen Gebäudes. Da weiß er natürlich auch, dass die Erhaltung und mehr noch die begonnene Sanierung und Restaurierung eine Menge Geld kosten. Etwa zwölf Millionen Euro wären dafür nötig, eine Million konnten bisher zur Verfügung gestellt werden. Damit werden die vier Nebentreppenhäuser denkmalgerecht wieder hergestellt, gleichzeitig aber mit modernen Elektro- und Brandschutzanlagen ausgerüstet.
Beherbergt das Haus auch in der Mehrzahl nüchterne Büros, einige mit Stuckdecken, hölzernen Paneelen und Parkettfußböden gediegen ausgestattete Räume haben sich bis bis heute erhalten. Einen davon, in dem es sogar noch originales Mobiliar gibt, nutzt Martina Kluge, die Chefin des Fachbereichs Ordnung und Sicherheit. Einen zweiten Glanzpunkt stellt die hauseigene, aber auch dem Publikum zugängliche Verwaltungbibliothek mit ihrer Empore dar, an deren Balustrade noch die alte Uhr aus der Kaiserzeit tickt. Sehenswert sind der Plenarsaal, der nach 1945 leider sein Deckengemälde und die Doppelsäulen mit der Darstellung der vier Jahreszeiten verloren hat, das u.a. vom Hauptausschuss und für kleinere Empfänge genutzte Zimmer 280 a mit seinen textilen Tapeten und der Blaue Salon, in dem die Beigeordneten beraten. Selbst ins Arbeitszimmer des Oberbürgermeisters durften die Besucher einen Blick werfen und das Standesamt besichtigen. Es wurde im ehemaligen Küchenbereich mit Gartensalon eingerichtet, der zur Wohnung des Regierungspräsidenten gehörte. Die nahm im angeblich so sparsamen Preußen den gesamten südlichen Flügel des Gebäudes ein, mit Dutzenden Wohn-, Schlaf- und Festräumen, Bediensteten- und Fremdenzimmern, Küche, Wachküche, Roll- und Plättstube, Wagenhalle im Untergeschoss ... Ein Stallgebäude mit Kutscherwohnung gehörte ebenfalls dazu. Der Präsident, als erster bekleidete von 1907 bis 1914 Rudolf von der Schulenburg dieses Amt, lebte also auf großem Fuß.
All die von Benno Oelke vermittelten Informationen über das Stadthaus konnten die Besucher schwarz auf weiß nach Hause tragen. Gerade hat die Stadtverwaltung nämlich eine Broschüre zur Geschichte des Gebäudes herausgebracht, die für einen Euro im Bürgerservice (der früheren Regierungshauptkasse) gekauft werden kann. Weitere Führungen wird es auch geben: am 28. Juni, 29. September und 24. November, jeweils 10 Uhr. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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