Landeshauptstadt: Verkaufsgespräch in Liegeposition
Ceragem-Center in der WilhelmGalerie. Probeliegen im 40-Minuten-Takt. Kostenlose Massagen sollen von der „Wunderliege“ überzeugen
Stand:
In dem schmucklosen Raum liegen wildfremde Menschen nebeneinander und lassen sich massieren – kostenlos. Die Tester starren die Styropor verkleidete weiße Decke an, während die Eierkarton großen Geräte auf ihren Bäuchen in bunten Farben aufleuchten. Im Hintergrund läuft ein Werbevideo, rhythmisch unterlegt von Fanfaren, die an die Erfolgsmusik der Ölmagnatenserie „Dallas“ erinnern. Dazu Botschaften wie „Ceragem verbreitet Liebe“ oder „Ceragem verändert das Leben“. Von einer revolutionären Neuheit ist die Rede, dem Ergebnis fernöstlicher Lehre und modernster Technologie.
Eine ältere Dame ist nun schon das dritte Mal hier, wie sie auf Anfrage der asiatischen Beraterin verkündet. Die Routiniers sind denn auch an den mitgebrachten Laken zu erkennen, die vor der Behandlung auf der „Wunderliege“ ausgebreitet werden. Die Räume in der Wilhelmgalerie seien kein Studio, erklärt Inhaber Sven Otto, sondern vielmehr ein Geschäft. Allerdings dürfe der potenzielle Kunde so oft wieder kommen, bis er überzeugt sei. Die Stamm-Probelieger werden mit Handschlag begrüßt. Trotzdem müssen auch sie sich auf die nummerierten Klappstühle setzen und warten, bis der Gong ertönt. Das nämlich sei das Zeichen dafür, dass die 40-minütige Massagezeit um sei. Es erfolgt der Gruppenwechsel. Vorher allerdings müssten alle noch eine kleine Übung machen, um den Kreislauf anzuregen, sagt Sven Otto ins Mikrophon. Er demonstriert händeklatschend den Fünf-Sekunden-Aufwärmer, der mit dem Schlachtruf „Ceragem – Ja“ und hochgerissenen Armen endet. Zwei Frauen kichern. „Das mag jetzt ungewohnt erscheinen“, sagt der Geschäftsinhaber, aber es sei eine gute Vorbereitung. Die Liegefläche ist warm. In der Mitte stakt etwas heraus, das sich beim Betten in den Steiß drückt. Mit dem Startknopf setzt der Benutzer die Programmautomatik in Gang. Ergonomisch geformte Jadesteine schieben sich die Wirbelsäule hoch. Bei 55 Grad Celsius Wärme für Anfänger drücken die Halbedelsteine in die harten Muskeln. „Tief ein- und ausatmen“, leitet Sven Otto die Ceragem-Einsteiger an. Nach der Rollmassage folgt die Akupressur. Jetzt verharren die erwärmten Massagesteine immer für ein paar Minuten, bis sie die nächsten verspannten Regionen ansteuern. Ceragem Master sei keine Wellness-, sondern eine Therapieliege, deren Wirkung bereits mehrfach zertifiziert worden sei, erklärt der Geschäftsinhaber. Sie sei ein medizinisch registriertes Produkt, betont Sven Otto auch in seinen Vorträgen, die er interessierten Neulingen, aber auch Stammliegern anbietet. Zu Demonstrationszwecken stehen neben dem Overhead-Projektor auch ein Wirbelsäulenmodell und eine Schautafel vom spinalen Nervensystem. „Die Leute denken immer zuerst an den Preis von 2616 Euro und den Platz für die Liege, den sie nicht haben“, sagt Otto. Davon müsse man sich lösen und die linderndeWirkung spüren . „Es war herrlich“, verabschiedet sich eine Testerin mit Handschlag vom Geschäftsinhaber. Es klingt wie im Werbefilm, aber auch irgendwie überzeugt.
Nicola Klusemann
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