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Landeshauptstadt: Verlagshaus, Gefängnis, Schulhaus

Baudenkmal in Potsdam-West soll bis zum Frühjahr 2008 saniert sein

Stand:

Potsdam-West - Als „Villa Rosengarten“ wird bis April 2008 das Gebäude in der Geschwister-Scholl-Straße 54 saniert und restauriert. Es bietet auf dem 5600 Quadratmeter großen Grundstück 1200 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche. Ausgebaut wird auch ein ursprünglich als Kutscherremise dienendes Nebengebäude. Glanzstück der von Regierungsbaumeister Ludwig Otte und dem Architekten Otto Wipperling 1903/04 in neobarockem Stil errichteten großbürgerlichen Villa stellt eine über beide Stockwerke reichende Oberlichthalle dar, um die sich die Zimmer gruppieren. Auf der Straßen- und der Gartenseite führen aufwändige Freitreppen in das Gebäude.

Bauträger der Sanierung ist die Constructiv Baubetreuung GmbH. Sie hat in den vergangenen Jahren in Potsdam bereits eine Reihe denkmalgeschützter Wohnbauten wiederhergestellt, so in der Gregor-Mendel-Straße, der Tieckstraße und am Lehnitzsee. Wie Geschäftsführer Alwin Urban auf PNN-Anfrage sagte, wurde für die Geschwister-Scholl-Straße 54 schon ein Nutzer gefunden. Er will in der Villa sowohl Wohnräume wie auch Büros einrichten. Urban würdigte die enge und effiziente Zusammenarbeit mit der Potsdamer Denkmalpflege.

Der Name der Villa ist neu und wohl aus Werbegründen gewählt worden. Er bezieht sich auf den nahe gelegenen Rosengarten am Schloss Charlottenhof. Damit hat das Haus nichts zu tun, es ist aber stadtgeschichtlich von hoher Bedeutung. Die Villa war zeitweilig Sitz der berühmtem Verlage Gustav Kiepenheuer, mit weltbekannten Autoren von Brecht bis Arnold Zweig, von Rütten und Loening, auf Klassiker und Erzähler des 19. Jahrhunderts konzentriert, sowie der von Robert Hachfeld gegründeten Akademischen Verlagsgesellschaft „Athenaion“, die unter anderem wissenschaftliche Handbücher und Lehrmaterialien für die Weiterbildung herausgab.

Zugleich spiegelt die Villa die deutsche Zeitgeschichte wie ein Brennglas. Geschäftspartner von Hachfeld war August Bonness, ein Gegner des Nationalsozialismus. Er wurde 1944 wegen „Wehrkraftzersetzung“ in Brandenburg hingerichtet. Dagegen arrangierte sich der Sohn des Firmengründers, Albert Hachfeld, mit dem Naziregime. Von den jüdischen Inhabern, die zum Verkauf gezwungen wurden, erwarb er 1936 den Verlag Rütten und Loening und überführte ihn nach Potsdam. 1946 wurde Hachfeld enteignet. Die Nachfolge trat als volkseigenes Unternehmen die Potsdamer Verlagsgesellschaft an, die dann 1951 aufgelöst wurde.

Die Villa Geschwister-Scholl-Straße 54 konnte von ihr allerdings nicht mehr genutzt werden. Das Gebäude war 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht beschlagnahmt worden. Die Kommandantur richtete hier Gefängniszellen für meist unter fadenscheinigen Gründen festgenommene Potsdamer ein. Zu ihnen zählte der 16-jährige Schüler Joachim Douglas, der die Teilnahme am Russisch-Unterricht verweigert hatte. Er wurde daraufhin vom Sowjetischen Militärtribunal wegen angeblicher Tätigkeit im „Werwolf“ – einer nicht mehr wirksam gewordenen Art nationalsozialistischer Partisanenorganisation – zum Tode durch Erschießen verurteilt und am 18. April 1946 hingerichtet.

Nach Rückgabe an die Stadt wurde die Villa für elf Familien als Wohnhaus genutzt. Im Potsdamer Adressbuch von 1949 wird als Eigentümer weiterhin „Hachfeld, Dr. Alb., Verl.-Buchhändl. Bln.-Wilmersdorf“ genannt. In den 1980er Jahren zog in die Villa das Internat der Potsdamer Sprachheilschule ein. Als nach der deutschen Wiedervereinigung wieder Bildungseinrichtungen mit reformpädagogischem Konzept zugelassen wurden, erhielt 1991 als vorerst letzter Mieter die Potsdamer Waldorf-Schule das Haus. Sie ist 2001 in ein leer stehendes Schulgebäude in der Erich-Weinert-Straße umgezogen.

Der neue Nutzer der nunmehrigen Villa „Rosengarten“ wäre gut beraten, auf diese wichtigen zeit- und stadthistorischen Zusammenhänge in geeigneter Form hinzuweisen.Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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