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Homepage: Verloren im Apparat

Nicht immer heitere Erinnerungen von Ehemaligen an 50 Jahre Filmstudium in Babelsberg

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Nicht immer heitere Erinnerungen von Ehemaligen an 50 Jahre Filmstudium in Babelsberg Es gibt sie noch! Die halbmondförmige Bar des legendären Studentenclubs der Filmhochschule „Bratpfanne“ existiert noch. Sie erinnert an die Zeit, als es dort im Club „sinnenfroh und solidarisch“ zuging und wo „Mädchen aus Indien, Chile, Südafrika mit Jungs aus Beirut, Tel Aviv, Hanoi, HaNeu (Halle-Neustadt), Erfurt und Ostberlin Nachwuchs für den Weltfrieden zeugten.“ Sie wurde in der Berliner Kneipe „Oderquelle“ von Andreas Schmidt (1982 bis 1987 Filmstudent) wieder entdeckt. Seine Schilderungen über den beinahe täglichen Besuch dort und den „Schmidt-Dienst“, der darin bestand, den narkotisierten Stammgast auf eine Liege zu befördern, gehört zu den liebenswerten Teilen der von Torsten Schulz zum HFF-Jubiläum herausgegebenen Textsammlung („Orangemond im Niemandsland“, Vistas Verlag). Schulz war von 1982 bis 86 Student in Babelsberg, seit 2002 ist er hier Professor. Die, wie es im „nächtlichen Gespräch im Garten“ zwischen Cornelia Klauß, Uwe Petzold und dem Herausgeber heißt, „partnerschaftliche Initiation“, die Pärchenbildung oder der Sex, waren nur der zweitwichtigste Aspekt der Zeit. An erster Stelle stand der Wunsch der Studenten, ihre Sicht der Wirklichkeit in Drehbüchern und Filmen abzubilden. Und das, so kann man es beinahe allen Texten entnehmen, war häufig ein verzweifelter Kampf gegen die staatliche Zensur, die an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ – wie überall in der DDR – Gesichter hatte und Namen trug. Die beklemmenden Schilderungen, wie Drehbücher immer wieder umgeschrieben werden mussten, wie Filme im berüchtigten „Keller“ auf immer verschwanden, werden der Freude über das 50. Jubiläums gewiss keinen Abbruch tun, sie rufen jedoch ins Gedächtnis, wie eng die Freiräume in einer elitären Institution waren, die 35 Jahre lang den Nachwuchs für das von der Partei gesteuerte DDR-Fernsehen und die DEFA ausbildete. Der freie Autor, Journalist und Fotograf Thomas Knauf nennt die Filmhochschule „die Schule meiner Qual.“ „Nein, es war keine schöne Zeit“, resümiert er. Obwohl allgemein der Blick auf die DDR-Vergangenheit versöhnlicher werde, wolle ihm die Zeit an der HFF nicht „in einem milden Licht erscheinen.“ Dass die Hochschule und die Studenten vor dem Umzug in den Neubau in verschiedenen Villen Babelsbergs untergebracht waren („himmlisch, verkeimt und abgewrackt“), wissen sicher viele, etwa befand sich das Rektorat einige Zeit in der so genannten Stalin-Villa. Unbekannt dürfte jedoch sein, dass die ersten beiden Studienjahre noch im Babelsberger Schloss residierten – und dort entsetzlich froren. Die Versorgung mit Wärmeenergie ist dann auch eines der Leitthemen in der Sammlung. Von der „Frühzeit“ erzählt Peter Rabenalt, von dem Verschwinden des harmlos skurrilen Faschingsfilms „Kanonenbill popelt“ im Ministerium für Kultur und der Schwierigkeit, für einen Film im Juli einen Apfel zu besorgen. Er war gezwungen, gegen D-Mark ein Pfund Westäpfel in Berlin zu kaufen. Nüchtern fällt der Blick von Jörg Foth auf die damalige HFF aus. Für ihn gilt: „Wer in Apparate geht, verliert sich darin, wer nicht, geht verloren." Hier fällt der Name Professor Vito Eichel zuerst, dem hochgelobten "Beschützer der Studentenfilme". Längst nicht alles war schlecht, man suchte und fand Freiräume, sich auszuprobieren. Der Regisseur Andreas Dresen („Nachtgestalten“, „Halbe Treppe“) findet in einem Brief an Lothar Bisky (HFF-Rektor von 1986) eindeutige Worte: „Wie einfach wäre die Welt, würden Opfer immer nur Opfer und Täter immer nur Täter sein. () In meiner Erfahrung gab es da jedoch eine Menge Überschneidungen. Und das ist auch heute noch so geblieben.“ M. Hassenpflug

M. Hassenpflug

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