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Homepage: Verloren im Lärm der Schlachten Historiker untersuchen Kriege im 18. Jahrhundert

„Wenn Nebel über dem Schlachtfeld aufsteigt, sind Freund und Feind in der Schreikakophonie der Verwundeten nicht mehr zu unterscheiden“, stellte Marian Füssel fest. Schlachtenlärm und Siegesklang waren die Begleitmusik der Zeitläufte des 18.

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„Wenn Nebel über dem Schlachtfeld aufsteigt, sind Freund und Feind in der Schreikakophonie der Verwundeten nicht mehr zu unterscheiden“, stellte Marian Füssel fest. Schlachtenlärm und Siegesklang waren die Begleitmusik der Zeitläufte des 18. Jahrhunderts. Der Historiker Füssel entwarf bei dem Symposium „Krieg und Frieden im 18. Jahrhundert“ ein akustisches Bild des Krieges. Sein Thema, eben der Lärm und die Geräusche des Krieges, sei grundsätzlich vergänglich. Deshalb wäre es gar nicht so einfach, die Kriege des vorvergangenen Jahrhunderts unter diesem Blickwinkel zu rekonstruieren, bemerkt der 39-jährige Professor.

Um bei schlechten Sichtverhältnissen weiter aufeinander eindreschen zu können, sei der laute Klang der Trompeten wichtig gewesen. Der hätte Orientierung geboten. Beim Trompetensignal, wie auch beim Klang der Kirchenglocken, hätten falsche Signale gelegentlich zu fatalen Irrtümern geführt. Als Folge davon wurde dann auch schon einmal die Kirchenglocke aus dem Gebälk montiert und ausgepeitscht, weiß der Wissenschaftler zu berichten. Schließlich hatte sie die Schlacht verdorben.

Zwar sei der „Klang des Krieges“ bisher kaum erforscht, dennoch sei der akustische Eindruck enorm wichtig für die Zeitgenossen gewesen. Nicht selten habe der Lärm dermaßen auf die Sinne eingehämmert, dass sich bei Soldaten ein Eindruck wie bei einem Hörsturz eingestellt habe. Auch Musiker wie Beethoven oder Tschaikowsky beeindruckte der martialische Krach so sehr, dass sie Kanonendonner in ihre Symphonien einbauten. „Neben den optischen waren die akustischen Eindrücke die stärksten“, weiß Füssel. Nicht selten sei es auch zu akustischen Halluzinationen gekommen. Die Stimme Friedrichs II. sei von Soldaten gleichzeitig von verschiedenen Orten der Schlachtfelder wahrgenommen worden.

„Strategie und Taktik der Kriege sind bis zur Genüge erforscht, das kulturelle Umfeld bleibt bisher aber weitgehend im Dunkeln“, weiß Stefanie Stockhorst. Die Potsdamer Professorin für Germanistik hat die Internationale Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für die Erforschung des 18. Jahrhunderts (DGEJ) an der Universität Potsdam organisiert. Forscher aus elf Nationen hatten sich vergangenes Wochenende versammelt, um fächerübergreifend die Kriegsszenarien des 18. Jahrhunderts zu beleuchten. Nicht die Winkelzüge von Heerführern und Generälen standen im Mittelpunkt der Tagung, sondern die Zeugnisse des „kleinen Mannes“. Zeitungen, Flugblätter und private Dokumente aus der Zeit vermitteln ein Bild davon, wie Zeitgenossen das „Jahrhundert der Aufklärung“ wahrgenommen haben. „Insgesamt gab es nur elf Jahre Frieden im 18. Jahrhundert“, rekapituliert Stockhorst. Es sei kein friedliches, vom Licht der Vernunft erleuchtetes Jahrhundert gewesen. Der gewöhnliche Soldat sei vielmehr mit Zwang und Gewalt als Disziplinierungsmittel auch innerhalb der eigenen Truppe bei der Stange gehalten worden. Deshalb stützen sich die Wissenschaftler der DGEJ unter anderem auf Soldatenbriefe und Tagebuchaufzeichnungen, um das damalige Lebensgefühl nachvollziehbar zu machen.

Zwar begann sich das Bürgertum am Ende des Jahrhunderts zu artikulieren und seine Rechte einzufordern. Aber Krieg und Aufklärung seien auf das Engste verflochten gewesen. Die Versuche der Herausbildung und Formulierung eines verbindlichen Völkerrechts im 19. Jahrhundert sei auch eine Notwendigkeit gewesen, sichere zwischenstaatliche Handelsströme zu etablieren. Friedrich dem Großen sei das Völkerrecht noch „völlig schnuppe“ gewesen, weiß Stockhorst. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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