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Aus dem GERICHTSSAAL: Vermeintlicher Böllerwerfer freigesprochen

Verteidigerin kritisiert Ermittlungen der Polizei

Stand:

Am Ende des zweiten Verhandlungstages verdichteten sich die Zweifel an der Schuld des vermeintlichen Böllerwerfers Tim T.* (20). Staatsanwalt und Verteidigerin plädierten auf Freispruch. Das Schöffengericht folgte am gestrigen Montag den Anträgen. Nachdem drei weitere Zeugen gehört wurden – unter ihnen der Verletzte, der beim ersten Termin unentschuldigt fehlte – , war unklarer denn je, aus welchem Fenster des Wohnhauses im Drewitzer Guido-Seeber-Weg der Polenböller geschleudert wurde. Die Verteidigerin glaubte gar, dass es den Fensterwurf überhaupt nicht gab. Sie mutmaßte, das erheblich alkoholisierte Opfer und sein gleichfalls betrunkener Cousin hätten den Feuerwerkskörper in der Nacht des 13. November 2011 vielleicht selbst gezündet. Bei der oberflächlichen Durchsuchung der Wohnung ihres Mandanten, der den Vorwurf bestritt, seien keine Knallkörper gefunden worden.

Tim T. saß wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion sowie gefährlicher Körperverletzung auf der Anklagebank. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft soll sich der Praktikant über das lautstarke Palaver zweier Angetrunkener auf dem Gehweg vor seinem Plattenbau geärgert und deshalb aus seinem Küchenfenster einen in Deutschland verbotenen Polenböller geschmissen haben. Der Feuerwerkskörper soll direkt vor den Füßen des späteren Opfers gelandet sein, welches ihn für eine Zigarettenkippe hiel und aufhob. Der Böller explodierte und riss dem Mann die Kuppe des rechten Zeigerfingers ab, außerdem erlitt er eine Trommelfellruptur im rechten Ohr, was zu einer dauerhaften Einschränkung des Hörvermögens führte (PNN berichteten).

Tim T. versicherte, in besagter Nacht mit seinem Bruder auf einer Geburtstagsfeier in der Waldstadt gewesen zu sein. Als er nach Hause kam, soll es im Flur des Wohnhauses bereits von Polizisten gewimmelt haben. Sein Bruder bestätigte die Aussage am Montag. Ein Nachbar hatte erklärt, er habe unmittelbar vor dem Knall die Stimme von Tim T. am Fenster seiner Wohnung erkannt. Während des Prozesses wollte er sich daran nicht mehr erinnern. Der Verletzte Sascha S.* (35) berichtete, der Kracher sei aus einer Parterrewohnung oder dem ersten Stock gekommen. Tim T. wohnt mit Freundin und Kleinkind im dritten Obergeschoss. Wieso die Beamten die beiden unteren Etagen bei ihrer Ermittlung außer Acht ließen, war für die Verteidigerin nicht nachvollziehbar. „Die Polizeiarbeit ist in diesem Fall deutlich zu rügen“, stellte sie klar. Engagiert waren die Ordnungshüter anscheinend doch. Als sie lautstark Einlass in die Wohnung des Angeklagten und seiner Gefährtin begehrten, rief diese Tim T. voller Angst auf dem Handy an. Da war er auf dem Heimweg von der Party. (*Namen geändert.) Hoga

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