STANDPUNKTE: Vernunft statt Eintritt
Drei Konzepte der Parknutzung
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STANDPUNKTEDrei Konzepte der Parknutzung Von Saskia Hüneke Mit starker Emotionalität wird bisher über eine Eintrittsgebühr für den Besuch der historischen Gärten in Potsdam debattiert. Es ist auch schwierig, denn die Debatte wird noch ohne konkreten Anlass geführt. Es gibt keine Entscheidung, mit der man sich auseinander setzen könnte, etwa zur Höhe des Eintrittspreise oder dazu, welche Gärten überhaupt betroffen wären. Selten war die Verbindung zwischen meiner beruflichen Tätigkeit als Kustodin der Skulpturensammlung der Stiftung Schlösser und Gärten und als nebenamtliche Stadtverordnete in der Fraktion der Bündnisgrünen so eng. In meiner Arbeit muss ich zusehen, wie die Gefahr für Natur und Kunstwerke in den Parkanlagen ständig wächst, die verschiedenen Besuchergruppen sich gegenseitig behindern. Freilaufende Hunde stören die wertvolle Flora und Fauna, Fahrradfahrer bedrängen die Spaziergänger, beschädigen die Wege, weltweit schönste Blicke werden durch Picknicks gerahmt, Kunstwerke beschädigt. Auch wenn es vernünftige Hundebesitzer und rücksichtsvolle Radfahrer gibt und die überwiegende Mehrzahl der Besucher die Parks ihrer Bestimmung entsprechend zum Entspannen und Genießen - zum Schauen, sich Bilden, Gehen, Laufen, Atmen, Hören, Lesen, Nachdenken, Miteinanderreden - nutzen, sind diejenigen, denen das nicht reicht, zu viele. Es geht dabei weniger um die seltenen, aber schlimmen Fälle von Vandalismus, sondern es geht um ein fehlendes Unrechtbewusstsein im täglichen Umgang mit dem Garten und seinen Kunstwerken. Der Park ist zum täglichen Brot geworden, dessen Wert nicht mehr bewusste wahrgenommen wird. Im Grunde gelten dieselben Reglements wie in anderen Naturparks: Wege nicht verlassen, Hunde an die Leine, keine Pflanzen beschädigen und Fahrradfahren verboten. In allen hochwertigen Gebieten, gleich ob aus ökologischen oder denkmalpflegerischen Gründen, muss das so sein, wenn wir die Wirkung des hohen, speziellen Pflegeaufwandes und das Erbe für uns und unsere Nachfahren erhalten wollen. Der gegenwärtige Zustand in den Potsdamer Parks ist für viele Besucher, deren Beschwerden sich immer mehr häufen, für die Kunstwerke und die Natur unhaltbar geworden. So wie es jetzt ist, kann es nicht bleiben. Das ist die eine Seite der Medaille. Die andere sehe ich als Potsdamer Stadtverordnete. Die Stadt zieht ihre Lebensqualität und wesentliche Entwicklungsimpulse aus ihrer ungewöhnlichen, über viele Stadtgebiete verteilten Dichte hochwertiger Grünanlagen und Kulturdenkmäler. Wir gehen dort spazieren, wir joggen da, unsere Kinder empfangen prägende Eindrücke durch tägliche Wege in der Potsdamer Kulturlandschaft. Es wäre fatal, wenn die Bewirtschaftung dies alles beeinträchtigen und die Parks dem täglichen Leben der Potsdamer entfremden würde. Es wäre aber Populismus, freien Eintritt zu fordern, ohne die bestehenden Probleme zu berücksichtigen. Welche Möglichkeiten gibt es also? Die erste hieße: die Parks bleiben offen. Dann müsste die Stiftung eine große Anzahl ausgebildeter Kräfte einsetzen, die gleichzeitig Wache und Besucherinformation sind. Bei einer Öffnung des Ökonomieweges für den Fahrradverkehr müsste die davon abbiegenden Wege besonders überwacht werden. Dies wäre alles wunderbar, würde aber einen finanziellen Mehrbedarf in Millionenhöhe pro Jahr aus Steuermitteln bedeuten. Wir wissen, dass das nicht möglich ist. Die zweite Möglichkeit wäre die Bewirtschaftung. Durch die Einnahmen könnten Mitarbeiter als Wache und Beratung beschäftigt werden, die Pflege verbessert werden. Dazu würden besondere Konditionen für die Potsdamer mit sehr preiswerten Jahres- und Familienkarten gehören. Auch bei einem eher symbolischen Obulus würde ein Achtungszeichen gesetzt werden, das die gedankenlose, tägliche Beschädigung verringert, wie Erfahrungen aus anderen Gärten beweisen. Trotz der Finanzierung aus Steuermitteln wäre ein Einritt vertretbar, denn auch für Museen, Konzerte und Theater werden Karten bezahlt. Aber: es würden Umwege entstehen, Kassenhäuschen und Drehkreuze würden die Eingänge verunstalten, der Zutritt für Frühaufsteher wie morgendliche Jogger und Spaziergänger erschwert. Einige der gern gesehenen Besucher würden vielleicht wegbleiben. Die Bewirtschaftung könnte Probleme lösen, würde aber neue schaffen. Ich sehe noch eine dritte Möglichkeit: Die Parks bleiben offen. Die Potsdamer entwickeln einen neuen Bürgersinn: sie beteiligen sich aktiv an der Erhaltung der Kunstwerke und der Gärten, indem sie die Wege nicht verlassen, die Kunstwerke nicht berühren, ihre Hunde an der Leine führen und deren Hinterlassenschaften entfernen und Druck auf die Stadt ausüben, damit die Radwege um die Parks herum endlich ausgebaut werden. Ein neues Leben mit den Parks, rücksichtsvoll mit anderen Besuchern und ihren Kindern, respektvoll mit der Natur und mit den Kunstwerken – das wäre für mich der Idealfall. Es wäre auch geschichtlich eine neue Qualität. Nachdem bis 1990 die aufeinander folgenden autoritären Staatsverhältnisse in Deutschland sozusagen als nützlichen Nebeneffekt immer auch die Parkanlagen geschützt haben, ist mit der erwachenden Demokratie eine Art Anarchie in den Parks entstanden. Nicht selten wird ihre Legitimation aus der Zahlung der Steuern hergeleitet – ein Missverständnis, denn daraus ergeben sich nirgendwo Rechte am Verbrauch öffentlicher Güter durch Einzelne! Wir könnten uns um eine höhere Vernunft bemühen, die uns keiner diktiert, sondern die aus uns selber kommt. Denn nur wenn wir es schaffen, uns von der gewohnten Anspruchs- und Verbrauchermentalität zu verabschieden, liebe Gewohnheit und Bequemlichkeit zu überwinden, kann die Tradition der frei zugänglichen Gärten in Potsdam erhalten bleiben. Vernunft statt Eintritt - ein gemeinsamer Großversuch. Unsere Autorin ist Kustodin der Skulpturensammlung der Stiftung Schlösser und Gärten und nebenamtliche Stadtverordnete in der Fraktion der Bündnisgrünen.
Saskia Hüneke
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