Von Erhart Hohenstein: Verschwundene Schul-Statuen
Dortuschule auf der Suche nach Amazonenkriegerin und Großer Herkulanerin aus Stein
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Innenstadt - Die Dortuschule ist auf der Suche nach zwei Statuen, die die Eingangshalle des Eckhauses in der Bäcker- und Dortustraße schmückten. Das Gebäude war 1906 als Erweiterungsbau errichtet worden, weil die „Höhere Mädchenschule“ aus allen Nähten platzte. Vom Eingang gelangt man durch einen Rundbogen ins Treppenhaus. Links und rechts davon standen in kleineren Bögen die beiden antik gewandeten Figuren. Beim genauen Hinsehen entdeckt man Reste der Halterungen.
Schulleiterin Gudrun Wurzler ist bei der Sichtung von Archivmaterialien für die in diesem Schuljahr anstehende 150-Jahr-Feier auf die Figuren aufmerksam geworden. Sie sind auf einer Postkarte abgebildet, die in den 1920er Jahren von Schülerinnen des damaligen „Städtischen Lyzeums“ verkauft wurde. Von dem Erlös sollte ein Klavier angeschafft werden. Gerüchte besagen, dass ein Schulleiter oder Lehrer die als geringwertig eingeschätzten Kunstwerke in den 1950er Jahren als Schmuck für seinen Garten mitgenommen hat. Daraus soll ihm oder seinen Erben keineswegs ein Vorwurf gemacht werden, sie bitte lediglich um Rückgabe, sagt Gudrun Wurzler.
Saskia Hüneke, Leiterin der Skulpturensammlung der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, erklärte: Bei den Statuen handelt sich um die „Große Herkulanerin“ und die „Amazone Mattei“, vermutlich in verkleinerten Gipsabgüssen. Die Herkulanerin ist ein altgriechisches Werk aus dem 4. Jahrhundert vor Christus. Eine römische Replik wurde 1711 vom sächsischen König aufgekauft und befindet sich in Dresden.
Die Amazone Mattei, benannt nach der gleichnamigen Villa im Vatikan, ist die Kopie eines griechischen Originals, das aus einem Wettstreit der berühmtesten Bildhauer der Antike (Polyklet, Phidias, Kresilas, Kydon und Phradmon) um 440 vor Christus hervorgegangen sein soll. Sie wird als verwundete Kriegerin gedeutet, die sich nach Ephesos in den Tempel ihrer Schutzgöttin Artemis begeben hat. Für die Herkulanerin hat der Goethefreund Johann Joachim Winckelmann das Wort von der „edlen Einfalt und stillen Größe" geprägt, sie passte also durchaus in eine Mädchenschule der Kaiserzeit. Nicht ganz so einfach erscheint dagegen die Zuordnung der verwundeten Amazonenkriegerin in das Schulprogramm.
Bereits ab dem 19. Jahrhundert wurde von beiden Statuen eine Vielzahl von Kopien und Abgüssen angefertigt, so von der Amazone Mattei auch eine 1827 aufgestellte Bronze für den Sizilianischen Garten in Sanssouci. Inzwischen übernehmen wieder zahlreiche Bildhauer und Kunsthandwerker die Anfertigung solcher Repliken. Dafür könnten in einer Spendenaktion Mittel gesammelt werden, wenn die Suche nach den beiden aus der Schule verschwundenen Exemplaren ergebnislos bleibt.
Erhart Hohenstein
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