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Drei Nobelpreisträger sprachen an der Universität Potsdam mit Nachwuchswissenschaftlern

Drei Nobelpreisträger sprachen an der Universität Potsdam mit Nachwuchswissenschaftlern Von Dagmar Schnürer Schwere Kristalllüster hängen von der Decke, in der Mitte des Raumes nimmt ein Blumenstrauß das Blau der Wände wieder auf. Hier im Blauen Salon der Neuen Kammern empfing die Universität am vergangenen Freitag drei Nobelpreisträger der Physik. Unter der Gesprächsleitung von Martin Ostermeyer, Juniorprofessor an der Universität Potsdam, unterhielten sich die Physiker der wohl ältesten noch aktiven Generation mit vergleichsweise jungen Wissenschaftlern der Universität, des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik und des Astrophysikalischen Instituts Potsdam (AIP). Ob das jetzige Jahrhundert ähnlich bahnbrechende Entdeckungen in der Physik erleben wird, wie das Jahrhundert, in dem der 85-jährige Niederländer Nicolaas Bloembergen (1981) und sein elf Jahre jüngerer Landsmann Martinus Veltman (1999) den Nobelpreis erhielten, das war eine der Fragen, die in der Runde diskutiert wurden. „Wir brauchen einen neuen Einstein“, sagte Riccardo Giaconni, der 2002, zusammen mit dem ebenfalls anwesenden Japaner Masatoshi Koshiba, den Nobelpreis für Physik erhielt. Denn es gibt Bereiche in der heutigen Physik, die einen großen Wurf nach vorne gebrauchen könnten. So hat die Astrophysik keine Ahnung, was dunkle Materie und Energie sind, arbeitet aber mit diesen Größen. „Wir sind vielleicht auf dem Holzweg“, spitzte Alexander Knebe (AIP) die Lage zu. Soll man Studienanfänger vor der Astrophysik warnen und ihnen Biophysik empfehlen, die boomt? Jeder solle in dem Bereich forschen, den er persönlich mag, sagte Martinus Veltman. Auch Riccardo Giaconni hielt wenig von Ratschlägen, da die jungen Leute ihre Entscheidungen ohnehin selber träfen. Nicolaas Bloembergen meinte, heute spielten hauptsächlich ökonomische Überlegungen eine Rolle bei der Wahl von Studienfach und Fachrichtung. Und wer nicht ökonomisch denke, sich aus tiefem Interesse für die Physik entscheide, brauche keine Universität, sondern würde – innerlich getrieben wie Einstein – autodidaktisch arbeiten. Ob dieser Weg heute noch funktionieren würde, wurde beim anschließenden Spaziergang durch den Park von mehreren Seiten bezweifelt. Auch widersprachen beispielsweise die Lebenswege der zwei anwesenden Studierenden den Vorstellungen von Nicolaas Bloembergen. Chunghong Yin, übrigens die einzige Frau in der Runde, hat nach einem Chemiestudium in Peking bei einem Sommerkurs an der Uni ihre Begeisterung für Physik entdeckt und macht jetzt in diesem Fach ihren Master. Auch Sebastian Bange, der gerade an seiner Diplomarbeit sitzt, wäre nicht auf die Idee gekommen, sich autodidaktisch der Physik zuzuwenden, die er aus Interesse und nicht mit Hinblick auf spätere Jobchancen wählte. Haben Physiker gegenüber der Menschheit eine Verantwortung, sollten sie sich globalen Problemen zuwenden? Das gehe über die Zuständigkeit des Physikers hinaus, sagte Martinus Veltman. Die Politik müsse entscheiden, welches Forschungsprojekt dem anderen vorzuziehen sei. „Ein Physiker sollte zuerst seinen Job machen: die Welt verstehen“, meinte auch Riccardo Giaconni. Masatoshi Koshiba, der mit dem schwierigen Hall im Salon kämpfte und den Gehstock auch am Tisch in der Hand behielt, gab den jüngeren Kollegen den Rat, sich an die erstklassigen Wissenschaftler zu halten. Man erkenne sie daran, dass sie sich der Grenzen ihres Wissens bewusst seien und nicht zu allem etwas zu sagen hätten. Sich von verbreiteten Denkweisen und dem Wissenschaftsbetrieb frei machen und die individuellen Interessen verfolgen, das sei der Weg zu neuen Entdeckungen, so schließlich der Tenor des Treffens.

Dagmar Schnürer

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