Landeshauptstadt: Verstummt: Nikolaikirche hat keine Glocken mehr Guss der vier neuen Bronzeglocken bis Ostern 2009
Sanierung der Kirche am Alten Markt in Endphase
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Innenstadt - In den letzten Jahren ist Joachim Uhlig zum Fachmann für Engel und Glocken geworden. Detailliert berichtet der Gemeindekirchenrat der St. Nikolaikirche über die Bauarbeiten an der Kirche am Alten Markt. Nicht, dass es nicht seiner Berufung entspräche. Aber selbst als gelernter Maurer kannte er sich mit dem Kohlenstoffgehalt in Stahlgussglocken, asthmatischen Klängen und den Eigenfrequenzen eines Glockenturms bislang weniger aus. „Ich habe viel gelernt in dieser Zeit“, sagte er gestern, als die drei Glocken der St. Nikolaikirche geborgen wurden. Bis Ostern sollen die neuen, bronzenen Glocken über der Stadt hängen und im Gleichklang mit den Klocken von St. Peter und Paul die Mittags- und Abendzeit einläuten.
„Betet ohne Unterlass“ steht in der kleineren der beiden Stahlgussglocken, auf der größeren ist der Psalm 92 Vers 2 eingegossen: „Dem Herren danken. Das ist ein köstlich Ding“. 1922 sind sie gegossen worden, auf 80 bis 100 Jahre wurde ihre Lebensdauer vorhergesagt. Danach würden die Stahlgussglocken „einen asthmatischen Klang“ bekommen, weiß Uhlig inzwischen. Der hohe Kohlenstoffgehalt im Stahl sei dafür verantwortlich. Am Sonntag haben sie zum letzten Mal geläutet. Die alten Glocken kommen ins Depot des Potsdam-Museum auf Hermannswerder, die dritte Glocke könnte wieder am Turm der Garnisonkirche hängen, wenn er denn aufgebaut wird. Sie war eine Leihgabe, nachdem der Garnisonkirchturm abgerissen wurde und die St. Nikolaikirche Ende der 1970er ihr altes Aussehen wieder bekam. 26 Jahre hing die Bronzeglocke nun an einem der vier Türme, künftig steht sie in der Ausstellung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche.
140 000 Euro hat die Kirchgemeinde für den Neuguss von vier Bronzeglocken veranschlagt. Das Geld hat Max Klaar gespendet, der sich einst für den Aufbau der Garnisonkirche eingesetzt hat, wegen eines Streits über die Nutzung jedoch nun die Millionen-Spenden zurückhält. Schon für die katholische Kirche St. Peter und Paul hat Klaar Spenden gesammelt, nun soll St. Nikolai profitieren. Die Glocken werden im Rahmen einer Gesamtsanierung der Kirche erneuert. Mehr als sechs Millionen Euro werden verbaut. Uhlig ist zuversichtlich, dass es trotz Baupreissteigerungen nicht viel teurer wird.
Ein Großteil der Arbeiten ist beendet: Drei Engel sind saniert, das Kreuz in 78 Meter Höhe strahlt wieder golden auf die Stadt, der Tambour ist fertig und die neue Plattform für Besucher nimmt Form an. Sie ist als solche schon erkennbar, 1,25 Meter breit und in 42 Meter Höhe. Im Frühjahr ist Eröffnung. Wer dann zu ihr aufsteigen will, muss durch einen der Seitentürme aufs erste Dach und anschließend im Tambour klettern. Einbahnstraßenverkehr wird der Auf- und Abstieg, wahrscheinlich sogar geregelt durch elektrische Drehkreuze. Denn nur 20 Personen gleichzeitig dürfen der Kirche aufs Dach steigen. Gerahmt wird die Plattform von 96 Palmetten, die durch Spenden finanziert werden sollen. 30 Spender hätten sich gefunden, sagte Uhlig gestern. Er hofft, dass es weitere gibt.
Wie viel Eintritt der Zutritt zur Plattform künftig kosten wird, konnte Uhlig noch nicht beziffern. Aber die Plattform hat neben ihrer Aussicht auf den künftigen Bauplatz des Landtagsschlosses eine wirklich wichtige Funktion. Die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern sollen der Kirchgemeinde mit ihren etwa 2200 Mitgliedern helfen, den eigens für die Sanierung aufgenommen Kredit zu bewältigen – insgesamt zwei Millionen Euro. jab
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