Landeshauptstadt: Vertröstet bis zum Frühling
Die beiden beliebtesten Gymnasien der Stadt platzen aus allen Nähten. Die Verwaltung plant und plant – ergebnislos
Stand:
Der Protest war still, und doch deutlich. Mehr als zwei Dutzend Briefe haben Schüler des Humboldt-Gymnasiums in den Flur gehängt, um auf die Missstände an der Schule aufmerksam zu machen. Ihnen fehlt es nicht an geeigneten Lehrern, an gutem Unterricht oder an Bildung im Allgemeinen. Ihnen fehlt es an Platz, an modernen Unterrichtsräumen sowie am Glauben an eine Veränderung des dauerhaften Schwebezustandes. Dabei gehört sie zu den beliebtesten Schulen der Stadt – und zu den besten, wie die Schulvisitation im vergangenen Jahr ergeben hat. Einzig die Ausstattung, für die der Schulträger, also die Stadt, verantwortlich ist, genüge den Ansprüchen der Schule nicht, kritisierte das Visitationsteam.
Seit mehr als sechs Jahren kämpfen Schulleitung sowie Schüler und Eltern für den Ausbau des Gymnasiums, seit Jahren werden sie vertröstet. Auch gestern, als der Bildungsausschuss im Gymnasium tagte, hieß es: Der Baustart wird frühestens 2011 erwartet. Selbst für eine Sanierung der Sanitäranlagen werde es kein Geld geben. Schulleiterin Carola Gnadt wirkte ärgerlich. Die 300 000 Euro, die die Stadt in diesem Jahr für die Schule eingeplant hat, reiche nicht einmal, um eine Ersatzlösung mit Containern zu bauen. Ausweichquartiere müssen gefunden werden, auch eine Filiallösung in einer benachbarten Privatschule in den Ravensbergen ist im Gespräch. Die Baracke will Gnadt keinem mehr zumuten.
Die Schule mit ihren 650 Schülern besteht aus einem alten verklinkerten Hauptgebäude, einem modernen Anbau sowie einer alten Baracke mit Gittern vor den Fenstern. Es ist die Schule, die der jetzige Bildungsminister Holger Rupprecht einst geleitet hat, an der es einen Begabtenstützpunkt gibt, die Mitglied der Akademie des Deutschen Schulpreises ist und vor drei Jahren selbst Finalist des Deutschen Schulpreises war. Dabei könnte auch strukturell alles so einfach sein. Weniger als zwei Millionen Euro kostet der Anbau, rechnet Uwe Müller vor. Er ist Elternvertreter und Ingenieur. Der von seinem Büro entworfenen Schulanbau ist an einer Schule in Falkensee realisiert worden.
Doch Potsdam hat die Konjunkturmittel des Bundes für andere Dinge ausgegeben, denn die Verwaltung bastelt an einem anderen Plan. Die Schule soll durch eine öffentlich-private Partnerschaft saniert und ausgebaut werden. Seit anderthalb Jahren schreibt die Stadt aus und verhandelt, erst im März 2010 wird ein Ergebnis erwartet, ob das Verfahren überhaupt möglich ist. Unverständnis herrscht im Klassenzimmer, in dem an diesem Abend die Stadtverordneten tagen und Schüler, Eltern sowie Schulleiter als Gäste sitzen.
Die Verwaltung manövriert um konkrete Aussagen herum. Bernd Richter als zuständiger Leiter des städtischen Immobilienservice erklärte, er könne nicht sagen, wann der Bau fertig werde. Auch nicht, wie gebaut werden soll. Auch nicht, ob die Stadt baut oder ein privater Investor. Einzig sicher sei nur, dass man im März mehr wisse.
So etwas macht auch Dieter Rauchfuß unzufrieden. Der Schulleiter des Helmholtz-Gymnasiums in der Innenstadt wartet ebenfalls seit mehr als sechs Jahren auf einen Ausbau. Die Schüler müssen wandern, die Essenausgabe ist zu klein, die Kabinette entsprechen nicht den modernen Standards. „Wir harren der Umsetzung“, sagte Rauchfuß. Bereits vor zwei Jahren haben die Stadtverordneten beschlossen, den Standort gemeinsam mit der Eisenhart-Grundschule zu einem Campus zu entwickeln. Doch seit der Idee eines ÖPP-Verfahrens seien sämtliche Investitionen gestoppt worden. Dabei habe er in den letzten zwei Jahrzehnten die wenigsten Investitionen in der Stadt erhalten – und gehört dennoch zu den besten Schulen Potsdams. Jan Brunzlow
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: