Aus dem GERICHTSSAAL: Verwirrspiel um Fahrerlaubnis
Rechtsprechung änderte sich inzwischen/Freispruch
Stand:
Anan Y. (30) verbüßt derzeit eine dreieinhalbjährige Gefängnisstrafe wegen Rauschgifthandels. Ein Jahr ist erst herum. Die Tour von der Haftanstalt zum Amtsgericht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis dürfte für den Mann aus Bosnien-Herzegowina eine willkommene Abwechslung vom Knastalltag bedeuten. Anan Y. – außerdem u. a. vorbestraft wegen Körperverletzung, Beleidigung und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte – vermutet, allzu viel wird ihm wegen der vermeintlich neuen Tat nicht passieren.
„Ich kann gar nicht verstehen, wieso ich jetzt auf der Anklagebank sitze. Ich habe einen polnischen Führerschein. Ohne Erlaubnis bin ich also nicht gefahren“, betont der Ausländer zum Prozessauftakt. Der Staatsanwalt klärt ihn auf: „Ihr deutscher Führerschein wurde Ihnen am 22. Dezember 2004 entzogen, weil Sie wegen Raserei zu viele Punkte angesammelt haben. Sie hätten erst die medizinisch-psychologische Untersuchung bestehen müssen, ehe Sie wieder ans Steuer eines Autos dürfen. Als Sie am 3. Januar in der Max-Born-Straße von der Polizei gestoppt wurden, haben Sie einen polnischen Führerschein vorgelegt. Der ist bei uns schlichtweg nicht gültig.“
Anan Y. lässt sich nicht beirren. „Ich habe nicht gewusst, dass ich damit in Deutschland nicht fahren darf.“ Polizeibeamte – so seine Aussage – hätten ihm selbst den Tipp gegeben, die „Pappe“ in Polen zu machen. Dies sei allemal billiger als die MPU, der so genannte Idiotentest.
„Diese Lücke im Gesetz ist uns bekannt. Und sie wird oft und gern genutzt“, weiß Amtsrichter Francois Eckardt. „Manche Leute kaufen das Dokument auch einfach.“
„Nach EU-Recht hat mein Mandant nicht gegen das Gesetz verstoßen“, lässt der Verteidiger verlauten und präsentiert dem Gericht Schriften mit neuester Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs. Derzufolge sei die ausländische Fahrerlaubnis des Moldawiers inzwischen anzuerkennen.
„Der Angeklagte hätte zu dieser Zeit überhaupt keinen Führerschein besitzen dürfen, auch keinen polnischen“, interveniert der Vorsitzende. „18 Punkte und mehr in der Verkehrssünderkartei sind ein eindeutiger Versagungsgrund.“ Außerdem habe sich Anan Y. in der Vergangenheit strikt geweigert, die MPU zu absolvieren. „Er wird es sehr schwer haben, irgendwann einmal eine neue Fahrerlaubnis erteilt zu bekommen“, vermutet der Richter. Der Anklagevorwurf habe sich nach Abschluss der Beweisaufnahme allerdings nicht erhärtet. „Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Freispruch auf Kosten der Staatskasse! Hoga
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