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Von Sophia Sabrow: Videokonferenz statt Vorlesung

Teletechnische Lehrmethoden nehmen zu / Potsdamer Uni kooperiert mit Berliner Hochschulen

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Der klassische Vorlesungssaal verliert immer mehr an Bedeutung: Virtuelle Klassenzimmer, Video-Konferenzen und Online-Diskussionsforen haben ihm längst seine Monopolstellung auf dem Universitätscampus streitig gemacht. Die Technologien der Telekommunikation werden zunehmend auch im Hochschulbereich eingesetzt.

Dass dieses sogenannte E-Learning die herkömmlichen Lehrmethoden sinnvoll ergänzen kann, versucht Bertold Kujath von der Universität Potsdam unter Beweis zu stellen. Sein Konzept stellte der Informatiker unlängst auf einer gemeinsamen Tagung zum Multimedialen Lernen vor, die von der Universität Potsdam zusammen mit der Freien und Technischen Universität Berlin veranstaltet wurde. Die seit 2003 jährlich stattfindende Tagung soll eine Plattform für akademische Einrichtungen schaffen, um sich stärker über E-Learning-Methoden auszutauschen und Netzwerke zu bilden.

Zusammen mit einer Fachgruppe erstellte Kujath ein Lehrvideo, das jungen Informatikstudenten Methoden für komplexe Problemlösungen vermitteln soll. Ihnen wird verbal und visuell vorgeführt, wie eine bestimmte Fragestellung zu meistern wäre. Ein Großteil der Testpersonen empfand das Lehrvideo als sehr hilfreich und würde bei anderen Informatikproblemen eine solche Lernmethode ebenfalls begrüßen.

Auch Betreuer anderer Projekte teilen Kujaths positives Bild der teletechnischen Lehrmethoden. „Bei unseren Online-Masterstudiengängen können sich Bachelor-Absolventen aus allen Teilen der Welt an der FU immatrikulieren“, berichtet Markus Laspeyres von der Freien Universität (FU) Berlin. „Geographische Entfernungen, familiäre oder berufliche Gebundenheiten spielen plötzlich keine Rolle mehr.“

Laspeyres betreut den Studiengang East European Studies Online, der von jedem mit Internet ausgestatteten Ort der Welt aus absolviert werden kann. Auf der zugehörigen Website finden die Studenten den Lernstoff und die nötige Lektüre sowie Aufgabenstellungen für Essays und Hausarbeiten, die sie ihren Tutoren termingerecht mailen. Arbeitsgruppen „treffen“ sich auf der Homepage zu Video-Konferenzen oder tauschen sich in Online-Foren aus. Es scheint so, als würde die virtuelle Lernumgebung technisch all das ersetzen können, was eine „reale“ Hochschule hergibt.

Was fehlt, ist das Studentenleben: Der persönliche Kontakt zu Kommilitonen und Dozenten, Lerngruppen, die sich nächtelang zusammen auf Klausuren vorbereiten, gemeinsames Mensa-Essen, Kneipentouren, der ganze nicht-akademische Teil des Campuslebens. „Die meisten unserer Studenten suchen so etwas auch nicht“, meint Laspeyres dazu. „Sie sind oft berufstätig und müssen zeitlich flexibel sein. Der Online-Studiengang ist für diese Leute eine Chance, sich trotzdem weiterzubilden. Das macht sie sehr zielstrebig.“

Auf eine ganz andere Problematik des E-Learning weist Ingrid Pahlen-Brandt hin. Als eine der Datenschutzbeauftragten der FU kritisiert sie mangelnde datenschutzrechtliche Regelungen bei den teletechnischen Lehrmethoden. Dabei würde nämlich eine Vielzahl an Informationen über die Studenten – welche Kurse sie belegen, was sie für Äußerungen getätigt haben oder ob sie Prüfungen wiederholen mussten – ins Netz gelangen. Bei unzureichender Datensicherheit könnten sich Dritte Zugriff auf die Daten der Studenten verschaffen. Ein zukünftiger Arbeitgeber könnte so beispielsweise herausfinden, dass die politische Einstellung eines Stellenbewerbers nicht zum Profil seines Betriebs passt, und ihn gar nicht erst zum Gespräch einladen.

„Es muss verbindliche Vorgaben geben, was mit Personendaten geschieht“, fordert die Juristin. Sonst würden die Studenten ihr Verhalten anpassen und sich in Zukunft genau überlegen, was sie für Seminare besuchen und welche Stellungnahmen sie abgeben. Durch eine solche Einschränkung in der Meinungsfreiheit sei „der Bestand und Erhalt der demokratischen Verhältnisse in der Bundesrepublik“ in Gefahr, warnt Pahlen-Brandt.

Sophia Sabrow

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