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Links und rechts der Langen Brücke: Viel Glas für Knobelsdorff?

Guido Berg freut sich über die von Architekt Peter Kulka aufgeworfene Frage nach der künftigen Architektur jenseits des Landtagsschlosses

Stand:

Wer hätte gedacht, dass der flammende Streit um das Landtagsschloss eines Tages bis auf die Frage herunterbrennen würde, ob das Dach aus Zink oder Kupfer sein soll? Für Potsdamer Verhältnisse darf dieser verbliebene Mini-Dissens als Ausdruck allgemeinen Einvernehmens gelten. Darum: Nähret die Debatten, denn an ihrem Ende ist ein gesellschaftlicher Konsens möglich. Dies scheint zumindest Peter Kulka beherzigt zu haben, als er in dieser Woche ordentlich Zündstoff nachlegte. Der Architekt hatte gefordert, rund um den unter seiner Ägide entstehenden Knobelsdorff-Landtag sollte modern gebaut werden. Er wolle kein „Disneyland“. Diese Einlassung wird die Freunde des alten Potsdam und die Skeptiker der Moderne auf den Plan rufen. Schließlich galt die Rekonstruktion der Fassade des Palais Barberini bislang als so gut wie durch. Rhetorisch freilich haben sich die Stadtschloss-Befürworter in dieser Frage selbst ein Bein gestellt. Sprachen sie nicht immer davon, dass die Knobelsdorff-Fassade deshalb wieder auferstehen müsste, weil sie so „einzigartig“ war? Heißt das nicht im Umkehrschluss, was da noch so im Umfeld stand und im Bombenhagel des 14. April 1945 in Schutt und Asche fiel, war demzufolge nicht „einzigartig“? Im Sinne von: Es kann nur eine einzigartige barocke Fassade geben? Nicht unbedingt. Durch dieses logisch erscheinende Nadelöhr muss nicht durch, wer sich das Stadtschloss als Teil des historischen Ensembles Alter Markt denkt. Völlig undiskutiert ist bis dato die Frage, ob der Alte Markt wieder in seiner ursprünglichen Anmutung wiedererstehen soll. Oder ob er anders werden soll – ein Abschied vom Barock für immer? Oder sollten zumindestens die Leitbauten wiederentstehen? Auch wer dies ablehnt, müsste die wichtigsten Gebäude der historischen Mitte wenigstens genau kennen. Peter Kulka dürfte zu einer tieferen Analyse der Elemente des historischen Alten Marktes noch nicht gekommen sein – er weiß überhaupt erst seit zwei Wochen, dass er und sein Konsortium in Potsdam bauen werden. Doch Kulkas Verdienst ist es, das Nachdenken über Moderne am Alten Markt befeuert zu haben. Was ist denn zu erwarten? Die Architekten von heute werden vor dem Landtags-Knobelsdorff erstarren wie das Kaninchen vor der Schlange und einen der beiden Fluchtwege nutzen: Entweder bauen sie große unverspiegelte Glasscheibenfronten. Damit, wer drinnen ist, raussehen kann auf das schöne Schloss. Der Architekt Rainer Becker macht es so mit seinem Verbinder am Alten Rathaus. Oder sie bauen große verspiegelte Glasscheibenfronten, in denen sich Knobelsdorff doppelt. Kommt es so, wären barocke Fassadenrekonstruktionen allemal besser. Das wäre dann zwar eine ähnliche Architektursprache wie Knobelsdorff – aber immerhin mit eigenem Akzent.

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