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Sport: „Viele glanzvolle Panthersprünge“

Einst zeigte Karl-Heinz „Schrippe“ Schröder tolle Torwartparaden für Babelsberg – heute wird er 85

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Einst zeigte Karl-Heinz „Schrippe“ Schröder tolle Torwartparaden für Babelsberg – heute wird er 85 Von Peter Rosenzweig „Schröder ist ein Mann von Format, dessen Leistungen zu großen Hoffnungen berechtigen“, „Schröder stand auch in den schwierigsten Situationen seinen Mann“, „Bester Mann der Potsdamer: Torwächter Schröder, der phantastisch hielt“, „Schröder zeigte viele glanzvolle Panthersprünge“ – solche und ähnliche Zitate konnte man zwischen 1936 und 1957 über das heute sein 85. Lebensjahr vollendende und dabei sehr lebendige Babelsberger Torwart-Denkmal Karl-Heinz „Schrippe“ Schröder häufig lesen. Über einen Mann, der auf eine bewegende Laufbahn zurückblicken kann. 1928 schloss sich der in Nowawes Geborene den Nulldreiern an. Dort durchlief „Schrippe“, wie er schon in jungen Jahren gerufen wurde, alle Altersstufen im Nachwuchsbereich, bevor sein Debüt in der 1. Mannschaft am 27. Juni 1936 mit knapp 17 Jahren in einem Freundschaftsspiel bei Berolina LSC Berlin mit 4:3 erfolgreich erfolgte. Noch war der bekannte Repräsentative Willi Thiele Nulldrei-Stammtorhüter, doch Schröder überzeugte im September 1937 bei drei Punktspielen in der obersten Klasse, der Gauliga, so dass die Frage, wer den im Abstiegsjahr 1938 zu Tennis Borussia abgewanderten Thiele ersetzen sollte, leicht zu entscheiden war. Am 16. Juni 1938 war „Schrippe“ Schröder am Babelsberger Horstweg in Aktion zu erleben. Gegner der Nulldreier war dort der FC Wien, 7. der höchsten österreichischen Spielklasse, der soeben nach der Okkupation des Alpenlandes in den deutschen Fußball „zwangsintegriert“ worden war. In diesem Spiel voller Dramatik, das die Einheimischen ehrenvoll mit 4:6 verloren, zeigte Schröder nach Meinung auch der Fachpresse trotz der sechs Gegentreffer eine starke Leistung. Im Herbst 1938 trat Karl-Heinz Schröder seinen Dienst bei der Marine an, ein Jahr später begann der Krieg. Nun wurde es für „Schrippe“ immer schwieriger, seine Nulldreier im Kampf um den Wiederaufstieg zu unterstützen. Doch wenn er gelegentlich auf Urlaub kam, stand er immer mit vollem Einsatz seinen Mann; und mehr als das. Marksteine waren dabei 1943 schwere und wichtige Auswärtsspiele beim deutschen Altmeister Viktoria 89 Berlin (5:1), beim Brandenburger SC 05 (4:2), die die Voraussetzungen für den Wiederaufstieg in die oberste Klasse schufen, und nach vollzogener Qualifikation der 3:1-Sieg beim zweifachen Deutschen Meister Hertha BSC. Was Nulldrei in diesen drei Partien bot, gehörte zum Besten in der Zeit vor 1945. Und „Schrippe“ Schröder hatte daran herausragenden Anteil. Es war beeindruckend, welche Souveränität und Ruhe – zumindest äußerlich – von ihm auf die Mannschaft ausstrahlte, wie er als Fels in der Brandung in seinem Kasten stand und in kompliziertesten Situationen großartige Leistungen bot. Bei den Fans gehörte „Schrippe“ zu den beliebtesten Nulldreiern. Es kann kein Zufall gewesen sein, dass der Jubel des Publikums besonders anschwoll, wenn über den Lautsprecher die Aufstellung mit dem Urlauber Schröder bekannt gegeben wurde. Das war Dank und Anerkennung für seine Heimatverbundenheit, für sein Engagement oder einfach nur Freude über ein Wiedersehen, das es für viele junge hoffnungsvolle Babelsberger Fußballer, die auch in den Krieg ziehen mussten, nicht mehr geben sollte. Bedingt durch den Krieg und seine Folgen spielte Schröder vorübergehen in Danzig, Kiel und Mannheim. Doch im Herbst 1946 war er wieder zu Hause, zeigte schon in der ersten Saison für die SG Babelsberg, dass er auch in den Hungerjahren der ersten Nachkriegszeit nichts verlernt hatte. „Schrippe“ stand im Tor, als 1946/47 der erste Platz in der Städteliga „Rund um Berlin“, 1948 die brandenburgische Vizemeisterschaft und schließlich 1949 der brandenburgische Landestitel errungen wurde. Im selben Jahr begannen mit der Qualifikation für die neue DDR-Oberliga die neun größten Jahre des Babelsberger Fußballs. 139 mal war Schröder im Kasten von Rotation Babelsberg dabei. Nachdem er schon während des Krieges das Tor der Potsdamer Stadtmannschaft gegen Berlin und das der Auswahl von Berlin-Brandenburg gegen Pommern und München gehütet hatte, wurde er nach 1945 für die brandenburgische Landesauswahl herangezogen und war 1952 Ersatzmann der DDR-Nationalmannschaft für das inoffizielle Länderspiel in Budapest gegen die damals Weltspitze verkörpernden Ungarn. Ein Sportler wie Schröder musste aber auch mit Niederlagen fertig werden. Natürlich gehört dazu die 2:12-Rekordschlappe beim DDR-Oberliga-Auftakt am 3. September 1949 im „Karli“ gegen Dresden-Friedrichstadt. Was kann ein Torwart ausrichten, wenn die Mannschaftsleistung desolat ist und gegnerische Stürmer ein ums andere Mal mit dem Ball allein im Strafraum auftauchen? Wichtig ist, welche Lehren gezogen werden. Mit Recht verweist „Schrippe“ darauf, dass im Rückspiel in Dresden mit 1:1 eine glänzende Rehabilitierung gelang. Am 6. April 1953 musste sich Schröder gegen Dynamo Dresden kurz vor Schluss den 2:2-Ausgleich ankreiden lassen, sechs Tage später überfuhr Rotation Babelsberg Zwickau mit einem hervorragenden 5:0. Kaum zu zählen sind „Schrippes“ glänzende Paraden in vielen Spielen gegen die alten DDR-Oberliga-Rivalen aus Leipzig, Erfurt, Aue, Halle, Berlin, Stendal, Dessau, Meerane oder Brieske. So manchen Elfer fischte er aus der Ecke, wehrt sich gleichwohl dagegen, als „Elfmetertöter“ bezeichnet zu werden. 1956 sollte seine aktive Laufbahn eigentlich zu Ende gehen. Der 37jährige übernahm das Training von Rotation II, führte die Truppe 1957 zur Meisterschaft der Bezirksliga und zum Aufstieg in die II. Liga. Doch in jenem Jahr ergab sich für Babelsberg in der DDR-Oberliga eine gefährliche Situation. Die Elf befand sich in einem Verjüngungsprozess, der Abstieg drohte. Zu allem Überfluss war Torwart-Nachfolger Willi Marquardt abgewandert, waren Salzwedel und Noske nicht einsatzfähig. Schröder ließ sich nicht lange bitten, stand vier Spiele (7:1 Punkte/8:2 Tore) im Kasten und sicherte mit den Klassenerhalt – ein echter „Schrippe“. Der im Sport nie einäugig war. In jungen Jahren betrieb er auch Turnen, Handball und Schwimmen, nach der aktiven Laufbahn setzte er sich für den Freizeit- und Erholungssport ein, wurde im DEFA-Studio für Spielfilme, wo der gelernte Maler lange Jahre als lnspektor für Arbeitsmittel- und Produktionsvorbereitung tätig war, Vorsitzender der Volkssportkommission und förderte das von den „BNN“ – heute PNN – organisierte Tischtennis-Turnier der Tausende. Im Mittelpunkt blieb aber immer der Fußball. 1986 erhielt er vom DDR-Fußballverband die höchste Auszeichnung, die Ehrenplakette. Kann es eine sinnvollere Abrundung eines Fußballerlebens geben als die 1998 erfolgte Berufung zum Ehrenpräsidenten seines alten Vereins SV Babelsberg 03? Dabei reduziert „Schrippe“ diese Funktion keinesfalls auf die „Ehre“, sondern erhebt auch seine Stimme aus der fast lebenslangen Vertrautheit mit dem Babelsberger Fußball sachlich-kritisch und immer engagiert zu aktuellen Problemen.

Peter Rosenzweig

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