Homepage: „Vielleicht ist es heute ja der Punk?“
MMZ-Direktor Julius H. Schoeps über die Kulturgeschichte des Dandys, Fürst Pückler, Diktatoren und sich selbst
Stand:
Herr Schoeps, Sie haben eine Tagung über den Dandy organisiert. Gibt es den heute überhaupt noch?
Ich glaube ja. Es ist nur nicht mehr der Dandy der Jahrhundertwende mit gelber Weste, Kniestrümpfen, Schlips und Einstecktuch. Vielleicht ist es heute ja der Punk, der als Dandy gilt? Es gibt neue Formen des Dandyismus. Aber im Grunde handelt es sich immer wieder um die Selbstbespiegelung eines Menschen, der in den Spiegel blickt und nur sich in diesem erkennt.
Was macht ihn aus, den Dandy, ist er Bohémien, Frauenheld, Flaneur oder ist es die Extravaganz, die Eleganz?
Er ist all das – und noch mehr. Kleidung, Geschmack, Spiel, die Art der Selbstinszenierung. Das sind alles typisch menschliche Verhaltensweisen, die es in jeder Generation gibt.
Auf der Tagung wurden unter anderem Fürst Pückler und Oscar Wilde als Dandy charakterisiert. Was haben die gemeinsam?
Es waren beides exaltierte Gestalten, Persönlichkeiten, die sich in erster Linie selbst gesehen haben und sich entsprechend inszeniert haben.
Eine Tagung über Dandys, das passt so gar nicht zum Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien.
Das mag schon sein. Aber es gibt Themen, die übergreifender Art sind. Das MMZ arbeitet eng mit der Gesellschaft für Geistesgeschichte zusammen, deren Vorsitzender ich seit mehr als 30 Jahren bin. Die Gesellschaft ist so etwas wie ein bürgerlicher Kulturverein, der sich mit Themen befasst, die von den Mitgliedern vorgeschlagen werden. Der Vorschlag, sich mit dem Dandy zu befassen, war erst einmal überraschend. Aber so ganz abwegig ist das Thema nicht. Ich zum Beispiel habe einen Vortrag über den „jüdischen“ Dandy gehalten – und zwar über die Selbstinszenierung Theodor Herzls, des Begründers des politischen Zionismus.
Also hat es den Dandy auch im Judentum gegeben?
Der Dandy ist nicht nur ein Phänomen des Fin de Siècle um 1900, sondern auch in der Gegenwart. Es hat zahlreiche Juden gegeben, die man unter die Spezies Dandy subsumieren kann. Ich denke dabei beispielsweise an den Politiker Walther Rathenau, den Flaneur Franz Hessel und an die Dichterin Else Lasker-Schüler und so weiter und so fort. Bei Theodor Herzl ist einiges Überraschendes zu vermelden. Es ist schon interessant, dass von ihm kein Bild existiert, das nicht gestellt wirkt.
Was meinen Sie?
1898 reist der deutsche Kaiser Wilhelm II. nach Palästina. Dort kam es zu einer Begegnung mit Herzl, wovon eine Fotografie kündet. Auf dieser sieht man den Kaiser, aber von Herzl nur die Füße und einen Arm. Später wurde das Bild montiert und Herzl vor den Kaiser gestellt. Dieses Bild hat es so eigentlich nie gegeben. Es war zwar keine Fälschung, aber doch so etwas wie eine Korrektur der Wirklichkeit. Herzl hat alles getan, um sich selbst zu stilisieren.
Da fällt mir noch jemand anderes ein – das hat auch Hitler gemacht.
Selbstverständlich. Das ist ein übliches Mittel der Propaganda. Alle Diktatoren haben diese Stilisierung genutzt, von Hitler bis Gaddafi – die Selbstinszenierung hat zum Geschäft dieser Herren gehört. Es wäre allerdings falsch, wollte man nur den Diktatoren das Mittel der Selbstinszenierung zusprechen. Auch bei Politikern in Demokratien gibt es den Hang, vor der Kamera zu posieren.
Wozu brauchen wir die Dandys?
Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft die Dandys braucht. Es ist vielmehr umgekehrt, der Dandy braucht für seinen Auftritt den Spiegel, das heißt Öffentlichkeit.
Habe ich Sie nicht auch schon mit Einstecktuch gesehen. Hand aufs Herz, steckt in Ihnen nicht ein heimlicher Dandy?
Nun ja, so kann man das nicht sagen. Ein Einstecktuch besitze ich nicht und lege auch keinen Wert darauf, mich damit zu schmücken. Aber ich gebe zu, mir ist der Dandy-Typ sympathisch. Er hat zu tun mit dem Flaneur, dem Snob, der mich fasziniert, wenn man auf ihn trifft. Andererseits handelt es sich häufig auch um traurig wirkende Gestalten, von denen man den Eindruck hat, sie würden nicht in die Zeit passen. Selbstverliebtheit, Kleidung, Gestus und eine gewisse Müdigkeit und Blasiertheit, die manchmal mit der Ausstrahlung von Lebensüberdruss einhergeht, ergeben eine merkwürdige Mischung. Das weckt – das gebe ich zu – mein Interesse.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
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