Sport: Vier Jahre Frustbewältigung
Potsdamer Leichtathleten daheim empfangen – mit unterschiedlichen Stimmungen, aber dem gleichen Ziel
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Potsdamer Leichtathleten daheim empfangen – mit unterschiedlichen Stimmungen, aber dem gleichen Ziel Ein prickelnden Getränk zum Anstoßen und eine hohe Mobilfunkrechnung als Geschenk für gute Leistungen: 35 Kurzmitteilungen hatte Melanie Seeger nach ihrem Gang durch Athen auf dem Mobiltelefon – es waren 35 Gratulanten zum 5. Platz über 20 Kilometer Gehen bei Olympia. Am Montagabend wurde sie gemeinsam mit den drei weiteren Leichtathleten von ihrem Heimatverein SC Potsdam wieder daheim empfangen. Wie sich Leichtathleten eines Potsdamer Sportvereins bei Olympischen Spielen fühlen, war 16 Jahre lang nicht zu erfahren. Zuletzt sprinteten, liefen, sprangen und gingen Potsdamer Athleten in Seoul 1988 über olympischen Tartan, nun waren es in Athen vier an der Zahl. Ein Ereignis, dass den Geschäftsführer des SC Potsdam, Peter Rieger, stolz macht. Seit der Gründung des Vereins 1994 und dem Zusammenschluss der Leichtathletiksparte von SC und OSC Potsdam unter dem Mantel des SCP arbeitet der frühere Weitspringer dafür, Potsdamer Leichtathleten zum vielfältigsten Sportereignis der Welt zu bringen. Mit Erfolg. Während Seeger, Geherin Sabine Zimmer und Sprinterin Claudia Hoffmann den Weg über die Sportschule am Luftschiffhafen gingen, wechselte Geher Andreas Erm als „fertiger“ Athlet an die Havel. In Athen wurde er auf dem Weg zum Erfolg von Kampfrichtern gestoppt. „Ich habe jetzt vier Jahre Zeit, das zu verarbeiten“, sagt der 28-Jährige nach seiner Rückkehr. Selbst Lebensgefährtin Claudine Szendrei, einst Dreispringerin beim SC Potsdam, machte sich auf den Weg zum Olymp, um ihren Freund in die Arme zu schließen. Am Ende musste sie Trost spenden, denn Erm wurde nach 30 km disqualifiziert. Frustrierend. Und wie bewältigt ein Sportler diesen Frust? „Ich werde jetzt jeden Tag bis zum Umfallen trainieren“, sagt Erm. Ob er geht, weiß er noch nicht. Das teure Mountainbike wird jedenfalls nur noch selten in der Diele seiner Berliner Wohnung stehen. Auch will Erm ein wenig Zeit vor dem Fernseher verbringen, denn seinen Wettkampf hat er noch nicht gesehen – auch nicht seine vermeintlichen technischen Fehler. Sein Vater, der zu seinen größten Kritikern zählte, habe ihm gesagt, es sei keine Disqualifikation gewesen. Und so werden die nächsten Tage wahrscheinlich genauso schmerzlich wie die Stunden nach dem Wettkampf. Die Stimmung der Potsdamer konnte am Montag unterschiedlicher kaum sein, aber eins wissen sie genau: in vier Jahren, in Peking wollen alle wieder dabei sein.
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