Landeshauptstadt: Villa Bombastica für Graalfs
Rob Krier entwarf „Stadtvilla“, die am Griebnitzsee gebaut werden sollte
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„Haus Graalfs“ nennt Rob Krier einen Entwurf aus dem Jahre 1994 für eine Villa am Griebnitzssee. Der 1938 in Luxemburg geborene Architekt hat in Potsdam einen unvergänglichen Namen als einer der beiden Chefplaner des Kirchsteigfeldes. Als am 3. Dezember 1993 der Grundstein für dieses größte Neubauprojekt der neuen Bundesländer gelegt wurde, sitzt sein Bauherr Dieter Graalfs mit auf dem Podium. Graalfs, von Hause aus Architekt, hatte gemeinsam mit dem Kaufmann Klaus Groth die Bauträgerschaft für das Kirchsteigfeld übernommen.
Obwohl Graalfs wenig später aus der Sozietät mit Groth ausscheidet, bleibt sein Name mit Potsdam verbunden, nicht nur als Kirchsteigfeld-Bauträger, sondern auch als Erwerber der markanten Villa Schöningen, dem „Haus an der Glienicker Brücke“. In einer Art Nachwende-Wettlauf hatten sich Groth und Graalfs um den Kauf der spektakulären Immobilien einen Zweikampf geliefert. Im Ergebnis erwarb Groth die Villa Kampffmeyer auf der Havelseite und Graalfs die Villa Schöningen, einen Persius-Bau am Jungfernsee. Wohnen wollten beide nicht in den exponierten Häusern. Die Villa Kampffmeyer sollte Kern von Groths Arkadien-Neubauten sein und die Villa Schöningen war als Sitz eines Architektur-Instituts vorgesehen.
Anders das von Rob Krier entworfene „Haus Graalfs“: „Stadtvilla“ lautete die im Osten ungebräuchliche Bezeichnung für einen sich mondän darstellenden Haustyp, der in dem „Haus Graalfs“ seinen Ausdruck fand. Von der Dimension her sollte es ein Gebäude sein, das die alte Adels- beziehungsweise später die Bankiersvilla imitierte oder kopierte und im Kern ein Mehrfamilienhaus für etwas betuchtere Klientel.
„Potsdam hat die Stadtvilla erfunden“, sagt gar der frühere Potsdamer Stadtbaudirektor Richard Röhrbein, der sich unter anderem als Herausgeber eines Buches über „Potsdamer Turmvillen“ verewigt hat. Die Stadtvilla-Wurzeln gehen nach seiner Meinung bis in das 19. Jahrhundert zurück. Auch das Wohnhaus von Ludwig Persius an der Ecke Hegelallee / Schopenhauerstraße habe zwei Eingänge für verschiedene Mietparteien gehabt und im späteren Stadtvillen-Typ bewohnten höhere preußische Militärs, die sich ein solitäres Gebäude nicht leisten konnten oder wollten, eine Etage oder ein separates Hausteil.
Das „Haus Graalfs“, vorgesehen für das Grundstück Virchowstraße 9 am Griebnitzsee, blieb ein Entwurf. Der Bauplatz ist heute noch verwaist. Im Ensemble der aus verschiedenen Epochen und Stilen zusammengewürfelten Gebäude der Villengegend wäre es nicht aufgefallen. Als einzelnes Bauwerk gesehen, hat es in seinem burgenartigen Stil etwas Furchteinflößendes und Abweisendes. Seine drei bis vier Stockwerke erheben sich hoch über der Uferböschung zum Griebnitzsee mit Ausblick auf die schmale Wasserfläche und den Fernsehturm des Schäferberges über den Baumkronen der Berliner Forsten. Turmförmig wie ein englisches „Castle“ erhebt sich ein Rundbau, der im Innern in der Raumgestaltung seine Entsprechung findet. Schloss Babelsberg lässt grüßen. Die Grundrisse, abgedruckt in einer unter dem Titel „Neues zur Stadtvilla“ von Röhrbein herausgegebenen Broschüre, lassen auf jeder Etage zwei separate Wohneinheiten erkennen. Es ist praktisch ein „kleines Mehrfamilienhaus“, das nach seiner äußeren Kubatur das Bild einer Riesen-Villa, einer „Villa Bombastica“, abgibt.
Anfang der neunziger Jahre entstanden viele Pläne solch villenartiger Mehrfamilienhäuser. Zum Beispiel schuf die Architektin Merete Mattern ebenfalls für den Griebnitzsee ein sternartig-spiraliges Haus mit einem domförmigen zentralen Innenraum für kollektives Musizieren und Meditieren. Beim näheren Hinsehen entpuppt sich das Gebäude als Achtfamilienhaus mit Wohnungsgrößen zwischen 60 und 120 Quadratmetern, einem Nutzungstyp, wie er seit mehr als hundert Jahren in den Potsdamer Altbaugebieten typisch ist. Vor allem Künstler sollten hier wohnen und ihre Ateliers einrichten. Die Architektin kam jedoch nicht zum Zuge, auf dem Gelände an der Karl-Marx-Straße steht statt dessen immer noch eine imposante Buche, die dem bekanntermaßen ökologischen Anspruch der Merete-Mattern-Architektur vielleicht eher entspricht als ihr Achtfamilienhaus.
Nicht alle „Stadtvillen“ blieben Makulatur. Letztlich ist auch das Kirchsteigfeld eine Ansammlung dieser Bauten. An der Glienicker Brücke wartet der Urtyp einer Stadtvilla, das historische „Haus Graalfs“ von Ludwig Persius, bis heute vergebens auf seine Restaurierung.
Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.
Günter Schenke
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