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Landeshauptstadt: Volkshaus statt Zivilcasino

Der Architekt Karl Stützel wollte 1949 in der Dortustraße einen Kulturpalast bauen

Stand:

Das „Volkshaus“, das der Potsdamer Architekt Karl Stützel ab 1949 an die Stelle des kriegsbeschädigten Zivilcasinos von Karl Friedrich Schinkel setzen wollte, wurde nie gebaut. Dr. Klaus Arlt, Vorsitzender der Studiengemeinschaft Sanssouci, empfahl dieses interessante Projekt für die PNN-Reihe „Luftschlösser“ und stellte dafür Material zur Verfügung.

Im Jahr 1949 interviewte die „Tagespost“, Vorläufer der Potsdamer Neuesten Nachrichten, den Architekten Karl Stützel, der in der GeschwisterSchollStraße sein Atelier hatte und zuvor auch Stadtbaurat gewesen war. Anlass war Stützels Vorschlag, auf der Westseite der Dortustraße zwischen Charlotten- und Brandenburger Straße ein „Volkshaus“ zu bauen. Dort stand die Ruine des Schinkelschen Zivilcasinos.

Stützels Entwurf sah einen wahren „Kulturpalast“ vor, der mit zwei Sälen und einem Hoteltrakt „allen Bedürfnissen Rechnung tragen“ konnte. Im Erdgeschoss des dreietagigen Baus sollte hinter dem geräumigen Windfang mit Zeitungsstand und Kassenraum sowie einer Empfangshalle der mit einer Bühne ausgestattete große Saal mit 1000 Plätzen angeordnet werden. Auch eine Bibliothek und ein „Schreibzimmer“ waren vorgesehen. Zwei dreiarmige Treppen schwangen sich ins Zwischengeschoss mit einer großzügigen Empore. In der obersten Etage befanden sich ein kleinerer Saal, ebenfalls mit Bühne, ein Spiel- und Rauchzimmer, „Erfrischungsräume“ sowie Büros für die Verwaltung des Hauses. Sogar an einen „Pressesaal mit Telefonzellen“ hatte Karl Stützel gedacht. Bewirtet werden sollten die Gäste in einem Kellerrestaurant. Zudem schlug der Architekt vor, das angrenzende zerstörte Wohnhaus zur Charlottenstraße wieder aufzubauen und dort Einzelzimmer für die Übernachtung von Tagungsteilnehmern einzurichten. Die gleiche Nutzung befürwortete er für das erhaltene Haus an der Ecke Brandenburger Straße.

Im Gespräch mit der „Tagespost“ zeigte sich der Architekt optimistisch, dass sein auch der Förderung des Fremdenverkehrs dienendes Volkshaus durch die Stadt gebaut wird. Die „grundsätzliche Zustimmung der zuständigen Instanzen“ liege vor. Leider ließen sich von der Innengestaltung des Gebäudes keine Entwürfe auffinden, dafür jedoch eine Außenansicht. Sie sieht einen zurückgesetzten Mittelbau mit Kuppel vor, auf dem eine offenbar drehbare Skulptur steht, die an die Glücksgöttin auf dem Fortunaportal des Stadtschlosses erinnert. Den beiden Seitenflügeln sind zwei ebenfalls mit Dachskulpturen geschmückte Säulenpavillons vorgesetzt.

Karl Friedrich Schinkels Zivilcasino, das er von 1820 bis 1824 als geselligen Treffpunkt im Auftrag und auf Kosten König Friedrich Wilhelms III. an dieser Stelle für die aktiven und ausgedienten Offiziere sowie die Beamtenschaft gebaut hatte, mag mit dem zurückstehenden Mitteltrakt und den beiden Seitenflügeln ein Vorbild für Karl Stützel gewesen sein. Fast scheint es aber, er wollte mit dem Entwurf für das Volkshaus den genialen Baumeister übertrumpfen, dessen Casino sich durch eine wundervolle Schlichtheit und Proportionalität auszeichnete. Schinkel musste seinen Entwurf wegen Beschneidung der Bausumme reduzieren und den für den Speisesaal geplanten Trakt weglassen. Dennoch wusste er, dass ihm ein Meisterwerk gelungen war. Man könne „dreist jedermann auffordern, in Berlin und Potsdam ... irgendwo ein Gesellschaftslokal zu suchen“, das seinem „Kasinogebäude zu vergleichen wäre“, äußerte er sich. Von ähnlichem Selbstbewusstsein war 125 Jahre später aber auch Karl Stützel erfüllt, denn er sah in seinem Entwurf den Vorzug, dass er „die dem alten Gebäude fehlenden Nebenräume und die Übernachtung der auswärtigen Gäste möglich macht“.

Die Ruine des Schinkelschen Casinos wurde im November 1949 abgerissen, Stützels Volkshaus blieb ein Luftschloss. 1960/61 entstand an dieser Stelle ein Wohnblock, mit dem nachgewiesen werden sollte, dass in die historische Altstadt auch Dreigeschosser eingefügt werden könnten. An der Charlottenstraße ist die damalige Fassadengestaltung noch nachzuvollziehen, der Haupttrakt an der Dortustraße ist heute ein Geschäftshaus im gesichtslosen Stil der Nachwendezeit. „Das Zivilkasino aber, ein prominenter Bau Schinkels, ist vergessen worden", schreibt Dr. Klaus Arlt. Im Gegensatz zu Garnisonkirche und Stadtschloss scheint „selbst den oft zitierten so genannten ,Alten Potsdamern“ dieser wichtige Gesellschaftsbau in der Innenstadt aus dem Gedächtnis geschwunden zu sein.“

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

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