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Landeshauptstadt: Vom Aschenbecher bis Weihwasserbecken

Viadrina-Museum zeigt Produkte der früheren Frankfurter Steingutfabrik Paetsch

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Frankfurt (Oder) - Diese Wasserschüsseln, Krüge und Nachttöpfe fallen sofort ins Auge: Das Dekor glänzt mit knalligen Farben und ausdrucksstarken Mustern. Das Viadrina-Museum Frankfurt (Oder) zeigt derzeit Waren der einstigen Steingutfabrik Paetsch. Diese war von 1840 bis 1955 im Norden der Stadt ansässig.

Waschgarnituren waren eine Spezialität der Firma, doch längst nicht alles. In vielen deutschen Haushalten sind Paetsch-Produkte noch heute in Gebrauch: Vasen, Butterdosen, Puddingformen, Tabletts, Brotkästen und sogar komplette Services. Unter Sammlern werden die farbenfrohen Steingutwaren von der Oder hoch gehandelt. „Nur die Frankfurter selbst wissen meist nicht, dass in ihrer Stadt einst die größte Steingutfabrik der Mark Brandenburg stand“, sagt Sonja Michaels, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums.

Das soll sich mit der Sonderausstellung ändern. Unter dem Motto „Vom Aschenbecher bis zum Weihwasserbecken“ sind bis Februar 2012 mehr als 300 Steingutprodukte zu sehen, die die vielfältige Palette der 1840 von Wilhelm Eduard Paetsch gegründeten Fabrik widerspiegeln. Historische Fotos aus der zeitweise bis zu 500 Arbeiter zählenden Fabrik geben zudem Einblick in die Industriegeschichte der damaligen Zeit.

„Es gab sechs Arbeitstage pro Woche, die tägliche Arbeitszeit betrug zehn bis zwölf Stunden“, sagt Michaels unter Verweis auf Dokumente aus dem Stadtarchiv. Baulich ist von der Steingutfabrik Paetsch im Norden Frankfurts nichts geblieben. Nicht nur die Betriebshallen an der einstigen Cüstriner Straße sind längst abgerissen, auch die noblen Villen der Fabrikbesitzer gibt es nicht mehr. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Die Familie Paetsch zog laut Michaels Ende der 1950er Jahre in den Westen Deutschlands und floh damit vor der drohenden Verstaatlichung ihres Betriebes. Inzwischen saniert, beherbergt es Wohnungen. Die Exponate in der Ausstellung stammen überwiegend von privaten Sammlern.

Der Frankfurter Wolfgang Brisch hat mehr als 200 davon in seiner privaten Kollektion und für die Ausstellung eine Auswahl getroffen.

„Ich habe sie nach ihrem Entstehungsjahr und dem Dekor sortiert“, erzählt der 66-jährige Sammler. Anhand der Tortenplatten-Wand lässt sich seiner Ansicht nach die Entwicklung der Fabrik nachvollziehen.

Landschaftsmotive und Jugendstilblüten dominierten zu Beginn, später experimentierte Paetsch mit geometrischen Formen und futuristisch anmutenden Mustern, die augenscheinlich von den Architekturschulen Bauhaus und Werkbund beeinflusst waren.

Wer genau die Dekore entwarf, ist nicht bekannt. „Leider gibt es dazu nichts in den Archiven“, bedauert die Museumsmitarbeiterin.

Wurde das Steingutgeschirr in den Anfangszeiten der Firma noch per Hand mit feinen Pinseln bemalt oder mit Schwämmen betupft, traten im Laufe der Zeit Spritzdekore in den Vordergrund. „Viele Leute wissen gar nicht, dass Spritzpistolen - damals Aerograph genannt - schon Anfang des 20. Jahrhunderts gebräuchlich waren“, sagt Michaels und verweist auf zwei Original-Exemplare aus der Paetsch-Fabrik.

Herzstück der Aufstellung ist eine komplette Kücheneinrichtung aus den 1930er Jahren in rosa Röschendekor. Es findet sich auf Waagen, Handtuchhaltern, Schlüsselbrettern, Schränkchen und Flaschen sowie im Regal mit Vorratsbehältern für Grundnahrungsmittel und Gewürze. Paetsch-Fans wie Brisch sind vor allem fasziniert von der farbenfrohen Gestaltung. Das Geschirr kommt bei Brisch auch auf den Tisch: „Es ist Gebrauchsgeschirr, also nutze ich auch viele Teile meiner Sammlung. Tortenplatten, Obstschale oder Teeservice sind einfach ein Hingucker“, schwärmt der Frankfurter.

Bernd Kluge

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