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Einst Gymnasium, jetzt Gesamtschule, bald wieder Gymnasium.

© Andreas Klaer

Von Erhart Hohenstein: Vom Großvater übernommen

Harry Kluge hat einen besonderen Schatz. Er bewahrt die Festschrift zur Einweihung des Babelsberger Schulpalastes aus dem Jahr 1911 auf

Stand:

Der für das Althoff-Realgymnasium in Babelsberg errichtete und am 17. Mai 1911 eingeweihte „Schulpalast“ begeht mit einer Festwoche Ende März 2011 sein 100-jähriges Bestehen. Wie die PNN berichteten, bereiten ehemalige Abiturienten aus diesem Anlass unter anderem eine Ausstellung über die Schulgeschichte vor. Dafür suchen sie nach wie vor Dokumente und Fotos.

Durch den PNN-Bericht wurde Harry Kluge auf das Vorhaben aufmerksam und wandte sich an unsere Redaktion. Der 66-Jährige, der an der Michendorfer Chaussee beim Meteorologischen Dienst beschäftigt war, ist der Enkel des Nowaweser Gemeindebaumeisters Otto Kluge (1875 - 1968). Unter dem Namen Nowawes waren 1907 die böhmische Webersiedlung und das deutsche Dorf Neuendorf zusammengelegt worden. In der aufblühenden Industriestadt übernahm Kluge nach dem Studium ein wichtiges Amt. Von seinem Büro im Rathaus aus mit koordinierte er die städtischen Bauvorhaben. Zudem besaß er privat in der Großbeerenstraße 16 und 18 zwei stattliche Wohnhäuser. In der Nr. 16 führte sein Sohn Günther zu DDR-Zeiten ein An- und Verkaufsgeschäft, das älteren Babelsbergern noch bekannt ist.

Der Gemeinde-, dann Stadtbaumeister war ein angesehener und geachteter Mann. Dies bezeugt u.a. eine Einladung von Kommerzienrat Fritz Gugenheim aus dem Jahr 1912 zur Feier der Fertigstellung seiner Seidenweberei Michels & Cie. Die Fabrik war von dem berühmten Architekten Hermann Muthesius in Kaiser-Wilhelm-Straße 1 (heute Friedrich-Engels- Straße 24) errichtet worden. Sie wurde im Februar 1945 durch einen Bombenangriff zerstört. Für die gesellschaftliche Wertschätzung Kluges spricht ebenfalls eine im Jahr 1915, also im Ersten Weltkrieg, erschienene Nachricht des im Ministerium für öffentliche Arbeiten herausgegebenen Zentralblatts der Bauverwaltung. Danach hatten „seine Majestät der König von Preußen Allergnädigst geruht“, Otto Kluge, Gemeindebaumeister Nowawes b. Potsdam, das „Königlich preußische Ordenszeichen des Eisernen Kreuzes“ II. Klasse zu verleihen.

Von seinem Großvater hat Harry Kluge eine Reihe von Schriften über die Nowaweser und die Neuendorfer Geschichte übernommen. Dazu gehört auch der „Fest-Bericht zu der Einweihung des Realgymnasiums in der York-Straße zu Nowawes“, datiert vom 17. Mai 1911, mit „Der Gemeindevorstand“ als kollektivem Autor, aber ohne Verlagsangabe. Aus dem Bericht ergibt sich, dass nach der Diskussion mehrerer Varianten, so der Erweiterung der bestehenden Bebauung, die Gemeindevertretung am 28. April 1909 die Errichtung eines Neubaus für das Realgymnasium beschloss. Nach Feststellung des Raumbedürfnisses erhielt der Geheime Baurat Techow zu Steglitz den Auftrag für den Entwurf. Er wurde vom Unterrichtsministerium abgesegnet und sah Kosten in Höhe von 390 000 Mk. vor. Die Bauarbeiten, für die die Aufträge größtenteils öffentlich ausgeschrieben wurden, begannen am 16. April 1910 und waren innerhalb eines Jahres (!) beendet.

Der Festbericht geht den gesamten Bau in Text und Bild mit all seinen Räumen oft bis ins Detail wie einem Trinkbrunnen auf dem Hof und Handwaschbecken in den Fluren durch. Ansonsten bestätigt er die bereits aus anderen Quellen bekannte Feststellung, dass das Realgymnasium allen Ansprüchen einer modernen höheren Schule genügte. So verfügte der „Schulpalast“ über eine Aula, einen Zeichensaal mit Balkon zum Freilichtzeichnen, eine Schülerwerkstatt, eine Turnhalle, einen Lichtbild-Vorführraum und auch über Fachkabinette für Physik, Chemie und Musik. Darüber hinaus enthält das Heft genaue Angaben über das angebaute Direktorwohnhaus. Es besaß acht Wohn- und Schlafzimmer, zwei Giebelstuben für Gäste bzw. das Hausmädchen, eine Kochküche mit Anrichte und Speisenaufzug, Badestube, Waschküche, Plättraum und Tockenboden. Eine verglaste Veranda öffnete sich zum Garten. Auch der Schuldiener wohnte recht großzügig. Im standen ein Dienstzimmer, zwei Wohnräume, Küche, Bad und Speisekammer zur Verfügung. Von stadthistorischem Interesse sind auch die der Broschüre beigefügten Lagepläne und Etagengrundrisse sowie die Liste der 33 beteiligten Baufirmen und Ausstatter. Sie wurden von Kluges Vorgänger als Gemeindebaumeister, Kuhnert, koordiniert. Harry Kluge gibt das Heft, in das sein Großvater an zwei Stellen Winkel von Gebäudefluchten bzw. ein Architekturdetail eingezeichnet hat, nur ungern aus der Hand. Den „Ehemaligen“ des Althoff-Gymnasiums bietet er aber an, daraus und aus anderen Büchern seiner Sammlung Textstellen bzw. Fotos zu verwenden. Das tut er umso lieber, als auch sein Vater Günther die Babelsberger Schule besucht hat.

Erhart Hohenstein

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