Mit Mathe Rhythmen wiederherstellen: Vom Stromnetz zum Herzen
Wenn ein Rhythmus stockt, kann der Effekt fatal sein – in einem Stromnetz kann es einen Blackout bedeuten, für das menschliche Herz sogar den Tod. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat nun einen neuen Ansatz entwickelt, gegen unerwünschtes Stocken vorzugehen.
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Wenn ein Rhythmus stockt, kann der Effekt fatal sein – in einem Stromnetz kann es einen Blackout bedeuten, für das menschliche Herz sogar den Tod. Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat nun einen neuen Ansatz entwickelt, gegen unerwünschtes Stocken vorzugehen. Sie nutzten dazu eine innovative mathematische Methodik, aufbauend auf der Analyse komplexer Netzwerke, und überprüften diese in Experimenten mit chemischen Reaktionen. Das könnte zur Stabilisierung von Stromnetzen beitragen, die Probleme durch eine unregelmäßige Zufuhr von Energie aus erneuerbaren Qellen haben. Künftig könnte die Methodik auch auf andere komplexe Netzwerke angewendet werden, etwa auf Prozesse in Körperzellen und sogar auf das menschliche Herzkreislaufsystem. „Viele Systeme sind angewiesen auf winzige Vor- und Rückwärtsbewegungen in einem bestimmten Rhythmus, wie in der Musik – wir nennen das Oszillation“, sagt Jürgen Kurths vom Potsdam-Instiut für Klimafolgenforschung (PIK) und Leiter der Forschungsgruppe. „Wenn nun der Rhythmus gestört wird, kann das System nicht richtig weiterarbeiten. Daher das Interesse, Wege zu finden, um den Rhythmus wieder herzustellen.“
Die Stabilität von Stromnetzen war demnach der Ausgangspunkt für die Wissenschaftler. Wechselstrom in Stromleitungen schwingt in einer bestimmten Frequenz, in Europa zum Beispiel mit 50 Hertz, in den USA mit 60. Dies kann gestört werden, wenn die Stromzufuhr sich von einem Moment zum anderen ändert – was passieren kann, wenn zum Beispiel von Windrädern erzeugter Strom ins Netz fließt, und es plötzlich stürmt oder eine Windstille eintritt. Kohle-Kraftwerke hingegen produzieren sehr gleichmäßig Energie. Da das Verbrennen fossiler Rohstoffe Treibhausgasemissionen verursacht, die der Hauptverursacher gefährlicher Klimaveränderungen sind, wird jedoch mehr und mehr erneuerbare Energie in die Stromnetze eingespeist. Um diese Belastung der Stromnetze und eventuelle Blackouts zu vermeiden, ist die jetzt von den Wissenschaftlern entwickelte Methode nur eine von mehreren Möglichkeiten – sie ist allerdings hoch innovativ. „Das Prinzip ist ziemlich einfach, aber die Mathematik dahinter ist es keineswegs“, sagt István Kiss von der Saint Louis University in den USA. Die Wissenschaftler untersuchten die Wechselwirkung von gekoppelten schwingenden Systemen. Bereits im 19. Jahrhundert stellte man fest, dass zwei nebeneinander stehende Orgelpfeifen mit ähnlicher Tonhöhe gegenseitig ihre Vibrationen unterdrücken können. Ähnliche Phänomene kennt man etwa auch aus der Neurowissenschaft.
Bis jetzt konnte keine Lösung zur Wiederherstellung der Rhythmen gefunden werden. „Wir zeigen, dass eine gewisse Verzögerung des Impulses, der etwa in einem Stromnetz von einem Element zum anderen geht, die vorher gestörten Oszillationen wieder herstellen kann“, sagt Wei Zou von der Huazhong University of Science and Technology in China, der Leitautor der Studie. „Ich muss gestehen, dass wir selbst überrascht waren wie einfach und robust unsere Methode ist.“ PNN
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