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Homepage: Vom Studenten zum Dozenten

Seit 2004 lehrt und erforscht Berno Bahro Sportgeschichte an der Universität Potsdam

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Sein Lieblingsspielzeug ist eine Motorsäge: knallorange, rundum aus Plastik und, wenn die Batterien mal wieder leer sind, ahmt Pino die passenden Geräusche einfach selber nach. Der Dreijährige fordert seinen Papa wiederholt auf, aus Kissen einen Baum zu improvisieren. Einen Baum, den er natürlich umgehend fällen und hierauf in Stücke zersägen muss. Diese frühkindliche Begeisterung für das Handwerkliche hat er bestimmt seinem Vater abgeschaut. Nicht wenige Möbel in der Babelsberger Wohnung wurden von ihm gezimmert oder aufgearbeitet.

Für den 30-jährigen Unidozenten Berno Bahro gehören solche praktischen Fertigkeiten zu den nicht besonders erwähnenswerten Eigenschaften. Als Sohn eines Stahlbauschlossers und einer Finanzamtsangestellten in dem Dorf Coschen in der Oberlausitz aufgewachsen, waren das Praktische und das Pragmatische die vorgegebenen Lebenskoordinaten. Nach der Wende baute die Familie ein eigenes Haus und orientierte den Sohn darauf, etwas Ordentliches zu werden. Was übersetzt hieß: Bankkaufmann.

Berno Bahro, der 1997 das Gymnasium abschloss und den Zivildienst begann, fühlte sich unbehaglich auf dem vorgezeichneten Lebensweg – und scherte aus. Bestärkt wurde er durch seine Freundin, die er 17-jährig kennen lernte und mit der er inzwischen verheiratet ist. Auch sie hatte sich entschieden, ein Studium zu wagen. Gemeinsam zog das Paar 1998 nach Potsdam, um das zu studieren, was sie am meisten interessierte. Die einzige Konzession war die Entscheidung für das Lehramtsstudium, um danach eine bessere Chance auf Berufstätigkeit zu haben.

Berno Bahro entschied sich für Sport und Geschichte. Und begeisterte sich schnell für die Forschung. In einem seiner ersten Hauptseminare hielt er ein Referat über den Sport im Nationalsozialismus, das den Dozenten derart beeindruckte, dass er ihn umgehend als studentische Hilfskraft einstellte. Inzwischen ist er Mitarbeiter am Lehrstuhl für „Zeitgeschichte des Sports“ und schreibt seine Dissertation über den „Sport in der SS“. Ein noch unbearbeitetes Forschungsfeld, wie er zu seiner eigenen Überraschung feststellte, als er noch für die Staatsexamensarbeit die Aktenbestände des „SS-Amtes für Leibesübungen“ durchforstete.

Die ideale Verknüpfung beider Studienfächer in einer Teildisziplin ist, so Bahro, ein Glück und ein Problem zugleich. Denn die Sportgeschichte ist eine Nische, der Arbeitsbereich an der Potsdamer Universität ist einmalig in der gesamten Bundesrepublik. Üblicherweise nähmen weder Historiker noch Pädagogen die Forschungsergebnisse von Sportgeschichtlern wahr, weil sie zumeist in klassischen Sportverlagen erscheinen. Und den Sportwissenschaftlern sind die Fragestellungen häufig zu geisteswissenschaftlich. Potsdam ist hier Vorreiter: Sportgeschichte ist als Bestandteil der neuen BA/MA-Studienordnungen festgeschrieben. Allerdings ist fraglich, wie die Lehre abgesichert werden soll, wenn 2011 der Lehrstuhlinhaber Hans Joachim Teichler emeritiert wird, denn eine Neubesetzung der Professur sei nicht vorgesehen. Trotz viel beschworener Interdisziplinarität wisse keiner so recht, wohin mit der Sportgeschichte. Angesichts der Tatsache, dass in Deutschland rund 27 Millionen Menschen in Sportvereinen organisiert sind und Sport somit ein nicht unerheblicher Aspekt des sozialen und kulturellen Lebens ist, ein irritierender Befund.

Keine Frage, dass auch für Bahro die sportliche Praxis ein wichtiger Bestandteil seines Lebens ist. Mit dem von ihm gegründeten Karateverein fährt er ins Trainingslager. In der Goetheschule in Babelsberg gibt er 16-Jährigen Boxunterricht. An der Universität lehrt er beides: die Theorie und die Praxis. Den Weg in die Wissenschaft bereut Berno Bahro keine Sekunde. Im Gegenteil: glücklich wäre er, könnte er tatsächlich auch nach der Dissertation weiterforschen. Themen gebe es für seinen Forschungsschwerpunkt genug.

Die Entscheidung für die wissenschaftliche Lehre fiel auch mit der Geburt von Sohn Pino zusammen. Wäre Bahro ins Referendariat gegangen, hätte er jetzt vermutlich eine Stelle mit Aussicht auf Verbeamtung. Aber er hätte weit weniger Zeit für seinen Sohn gehabt. Kinder in die Welt setzen, um sie dann nur am Wochenende zu erleben, kommt für ihn nicht in Frage. Die gemeinsame Zeit ist viel zu wertvoll. Für das junge Paar gründet diese Erkenntnis nicht einfach auf dem Anspruch, eine ideale Familie zu sein. Sie ist eine Lebenserfahrung. Denn das erste Kind, Lily, geboren vor vier Jahren, wurde nur vierzehn Tage alt. Ein Herzfehler. „Wir haben zwei Kinder“, sagt der Vater mit einem Lächeln, das erzählt, dass Trauer nicht lähmen muss.

Gern hätte er noch mehr Kinder, noch eins oder sogar zwei. Irgendwann einmal, wenn die finanzielle Situation der kleinen Familie es erlauben sollte. Sorgen, die dem kleinen Waldarbeiter Pino noch ganz fremd sind. Er will noch einen Kissenbaum – und zieht den Papa ins Wohnzimmer.

Lene Zade

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