zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Vom Wind in der Ebene

Im Gespräch mit ViP-Chef Martin Weis

Stand:

Im Gespräch mit ViP-Chef Martin Weis Die Combino-Bahnen wegen erheblicher Defekte aus dem Verkehr gezogen, mit der Ankündigung, den Takt 2000 abzuschaffen, gleich zu weit vorgeprescht. Herr Weis, Sie sind seit 1. Februar Geschäftsführer des Verkehrsbetriebes in Potsdam (ViP). Hatten Sie erwartet, dass Potsdam so ein schwieriges Pflaster ist? Ja. Mir war klar, dass es eine große Veränderung sein wird, sich von der Beratertätigkeit auf Öffentlichen Nahverkehr einzustellen. Aber gerade diese Veränderung hat mich gereizt. War es die Nähe zum Kunden, die Sie gesucht haben? Ich war anderthalb Jahre viel unterwegs und habe ausländische Verkehrsunternehmen beraten, die einen Marktzugang gesucht haben, zum Beispiel die Niederländische Staatseisenbahn, die inzwischen in Liverpool den Stadtverkehr übernommen hat oder die britische Arriva-plc, die die Prignitz-Eisenbahn gekauft hat. Dazu war ich viel im Ausland, also von der Familie getrennt. Jetzt können wir wieder näher zusammenrücken. Also lockte auch die Nähe zur Familie? Wir haben ein Häuschen in Stahnsdorf gefunden, das den Wünschen meiner Frau entspricht, dem Umzug von Koblenz hierher steht also nichts mehr im Wege. Und die Berge werden Ihnen nicht fehlen? Ein bisschen schon. Ich bin aktiver Rennradfahrer und bringe es auf 8000 bis 11 000 Kilometer im Jahr. Aber der Wind in der Ebene ersetzt in vollem Umfang das Radfahren bergauf. In ihrer früheren Tätigkeit waren Sie ja recht erfolgsgewohnt. Stört Sie der berufliche „Wind in der Ebene“, der Ihnen schon entgegengeweht ist? Sie spielen auf den Takt 2000 an, den ich angeblich abschaffen wollte. Da scheint mir einiges durcheinander geraten zu sein. Wir werden den Fahrplan erst einmal nur leicht überarbeiten und mit einigen Modifizierungen den 696er Bus, der die Modell-Route im Probebetrieb gefahren ist, in den Fahrplan aufnehmen. Im nächsten Jahr werden wir den Fahrplan dann intensiver betrachten und sehen, was verändert werden sollte. Als dritten Schritt beteiligt sich der ViP an einem Forschungsprojekt, das Verkehrsbeziehungen und das vorhandene Verkehrsnetz in ein mathematisches Modell einbringt und Optimierungen versucht. Rein rechnerische Optimierungen sind aber schon einmal auf starken Unwillen der Bus- und Bahnbenutzer gestoßen. Deshalb wird es diesmal vorher eine ausgiebige Diskussion mit den Kunden geben. In die können wir schon im Herbst 2004 einsteigen. Das überarbeitete Angebot wird es aber erst zum Dezember 2005 geben. Wie weit darf die Stadt in betriebliche Belange hineinregieren? Sie ist Auftraggeber des ViP, sie bezahlt und bestellt, was sie haben möchte. Damit habe ich keine Probleme. Darüber hinaus hat jeder seine Aufgaben, die er eigenverantwortlich zu bearbeiten und zu lösen hat. Der Deutschen Bahn haben Sie Ade gesagt, weil es bei der Verkehrsplanung für München zu große Meinungsverschiedenheiten gab. Können Sie mit Differenzen umgehen? Ich bin lernfähig. Potsdam mit seinen spezifischen Anforderungen im Nahverkehr bringt für mich neue Herausforderungen und eine interessante Aufgabenstellung. Bei der Bahn waren die Aufgaben ein wenig anders gelagert, aber auch die wie meine Beratertätigkeit haben mir viel Spaß gemacht. Sie werden sich nun in die Potsdamer Probleme hineinknien. Langfristig? Ja, ich habe mich auf Dauer eingestellt. Sonst würde ja auch der Umzug keinen Sinn machen. Und was macht für Potsdams Nahverkehr Sinn in Zeiten der Sparsamkeit? Wir in Potsdam stehen in vielen Dingen mit an der Spitze im deutschen Nahverkehr. Trotzdem gibt es in einigen Bereichen Verbesserungsbedarf, konkret u.a. beim Energieverbrauch und den Instandhaltungskosten. Machen da nicht die Combino-Bahnen einen dicken Strich durch die Rechnung? Nach Information des Aufsichtsrates Anfang Juni entscheidet die Geschäftsführung, welche Combinos wieder auf die Strecke gehen. Bei den anderen muss erst noch nach einer technisch ausgereiften Lösung gesucht werden. Eines ist aber klar, solche günstigen Einkaufsmöglichkeiten für Niederflurbahnen wie die mit Siemens ausgehandelten gibt es schon längst nicht mehr. Von langfristigen Aufgaben noch einmal zur Nähe. Sie wollen etwas für ein ganz spezielles Gemüse ihrer neuen Heimat tun? Ich bin Mitglied im Slow-food-Verein und der will das Teltower Rübchen in sein Register aufnehmen, um das Überleben dieser Spezialität etwas zu erleichtern. Das Gespräch führte Hella Dittfeld

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })