zum Hauptinhalt
Schieben statt werfen. Gordon Wolf probiert sich beim Bob-Sport.

©  Sandra Arm

Sport: Vom Wurfring in die Eisrinne

Diskus-Talent Gordon Wolf steigt in den Bob

Stand:

Die Liste ehemaliger Leichtathleten, die jetzt als Bob-Anschieber aktiv sind, ist lang. Und sie könnte sogar noch länger werden. Diskuswerfer Gordon Wolf, der lange in Potsdam trainierte und vergangenes Jahr zum SCC Berlin wechselte, schickt sich an, ebenfalls Wintersportler zu werden. Die ersten Tests an der vereisten Startstrecke am Fuße der Oberhofer Rennschlittenbahn liegen hinter dem 24-Jährigen, der einst als eines der großes deutschen Wurftalente galt.

Oberhof hat sich in diesen Tagen in ein winterliches Weiß gehüllt. Ein scharfer Wind peitscht Gordon Wolf Schneeflocken ins Gesicht. Das Gefühl von nasskaltem Schnee auf der Haut hat für einen Sommersportler wie ihn noch etwas Befremdliches. Wolf befindet sich mitten im Umgewöhnungsprozess – sportlich und auch was die Trainingstemperaturen betrifft. „Es fiel mir zunächst wirklich schwer, sich hier im Winter bei Schnee und Eiseskälte warmzumachen, um dann bei einem Test einmal 100 Prozent zu geben“, sagt er.

Leichter fiel ihm die Entscheidung, vom Wurfring in den Eiskanal zu wechseln. „Ich habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, irgendwann zum Bob zu gehen.“ Dass das Irgendwann schon nach der letztjährigen Freiluftsaison kommen sollte, kam für Wolf nicht wirklich überraschend.

Dabei schien sich im vergangenen Jahr der Wechsel vom Luftschiffhafen in Potsdam nach Berlin in die Wurf-Trainingsgruppe von Erfolgscoach Werner Goldmann zunächst auszuzahlen. „Die Würfe haben sich stabilisiert und gingen wieder über die 60-Meter-Marke“, sagt Wolf. Der große Wurf war allerdings nicht dabei. Für den Falkenseer ging es nicht entscheidend voran: „Ich muss zugeben, dass ich was auf der Strecke liegen gelassen habe und mich nicht mehr deutlich verbessern konnte.“ Sein Saisonziel, die Teilnahme bei den Europameisterschaften in Zürich im vergangenen Sommer, hat Wolf deutlich verpasst. Der Deutsche Leichtathletik-Verband forderte 65 Meter als Norm, Wolfs Diskus landete bei 61,82 Meter. „Für mich war in dem Moment klar, dass ich mit dieser Leistung aus der Sportfördergruppe herausfallen werde. Ich habe diese Entscheidung nachträglich auch verstanden, weil ich selbst wusste, dass ich meine Ziele nicht erreicht habe und auch niemanden einen Platz wegnehmen wollte."

Lange galt Wolf als eines der größten deutschen Diskus-Nachwuchstalente: 2008 wurde er Junioren-Weltmeister, ein Jahr später warf er mit 66,45 Meter deutschen U 20-Rekord. Doch seitdem zog die nationale Konkurrenz an ihm vorbei. Verletzungen, aber auch die innere Einstellung ließen seine Leistungen stagnieren. „Dass sich meine Leistungen nicht verbessert haben, daran bin ich selbst schuld. Mit jungen Jahren schon so erfolgreich zu sein, hat mich ein bisschen überheblich werden lassen“, gesteht er sich heute ein. „Ich stand vor der Entscheidung: entweder Bob oder gar nichts mehr“, sagt Wolf. Das Neue, das Unbekannte siegte. „Ich habe mir gedacht, ich probiere einfach mal was Neues aus. Die Voraussetzungen als Bob-Anschieber sind nicht so schlecht. Ich bin groß, das Gewicht stimmt und schnell bin ich auch.“

Zum Trainieren geht es nun für ihn und die Trainingsgruppe um Top-Anschieber Kevin Kuske nach Oberhof oder in die Halle nach Potsdam – also zurück an die alte Trainingsstätte. Wolf genießt die familiäre Atmosphäre unter den Bobsportlern sichtlich. Doch Freude will er auch weiterhin in der Leichtathletik als Diskuswerfer spüren und im Sommer an einigen nationalen Wettkämpfen teilnehmen. „Ich werde definitiv bei den Landesmeisterschaften starten. Ebenso hoffe ich auf einen Start bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg“, sagt Wolf. Speziell vorbereiten darauf wird er sich nicht direkt. Schon jetzt freut sich der selbsternannte „Schönwetter-Sportler“ auf ein paar wärmende Sonnenstrahlen, während ihm dieser Tage noch der scharfe Oberhofer Wind den Schnee ins Gesicht peitscht. Sandra Arm

Sandra Arm

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })