Landeshauptstadt: Von Bärenzunge bis Biberfell
Thematische Sonntagsführung im Naturkundemuseum / Kein Geld für Präparatorenwerkstatt
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Einen Ziegelstein in der Hand, steht Christian Blumenstein im Vortragsraum des Naturkundemuseum. „Fang ihn auf“, ruft er und „Hepp!“, wirft den Stein ins Publikum, wo ihn ein Junge erschrocken fängt. Doch der vermeintliche Stein ist federleicht – ein Präparat. So etwas herzustellen, gehört ebenso zu den Aufgaben eines Präparators wie das Schaustück eines Turmfalken. „Ein Brombeerstrauch mit naturgetreuen Blättern und Beeren macht mehr Arbeit als manches Tierpräparat“, berichtet Blumenstein.
Mit seinem Vortrag unter dem Titel „Ausgestopft oder was?“ sprach der Präparator des Potsdamer Naturkundemuseums gestern Vormittag sowohl ganz junge als auch ältere Zuhörer an. Er ließ Stücke aus der Werkstatt durchreichen: die plastinierte Zunge eines Bären, ein gegerbtes Biberfell, einen kuscheligen Vogelbalg und anderes mehr. Blumenstein ist „Spitzenpräparator“ für Kleinsäuger. Die Zuhörer erfahren, dass er diese winzigen Tiere mit Kunststoff tränkt, bevor sie zu Schaustücken werden. Von größeren Tieren fertigt er eine Dermoplastik an, das heißt die Haut oder das Fell wird über eine Skulptur gezogen. Um beispielsweise den ausgestellten Karpatenbär, der in Wiesbaden gestorben war, für das Museum aufzuarbeiten, musste er eigens eine „Totenmaske“ des Bärengesichts herstellen, um ein naturgetreues Abbild anfertigen zu können. Von „Kunst“ und „Kunsthandwerk“ spricht Blumenstein und will die Vorurteile über die Präparation, die natürlich immer mit einer Tierleiche beginnt, vor der Tür lassen. Der Präparatoren-Beruf ist heute ein sehr seltenes Handwerk. Früher bildeten selbstständige Präparatorenmeister dazu aus. Derzeit gebe es laut Blumenstein nur eine Ausbildungsstätte in Deutschland, an einer der Universität Bochum angeschlossenen Berufsfachschule.
Ohne die naturgetreuen Präparate wäre das Naturkundemuseum in der Breiten Straße nur halb so interessant und anschaulich. Gleich im Foyer kann der Museumsbesucher das Kunstwerk einer Turmfalkenfamilie im realitätsgetreu gestalteten Gemäuer bewundern. Der Turmfalke ist Vogel des Jahres 2007.
Die Präparatorenwerkstatt befindet sich nach wie vor im historischen Feuerwehrgebäude der Hebbelstraße. Diese sei aber für eine „thematische Sonntagsführung“ nicht geeignet, bemerkt Rosemarie Spatz, die verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit ist. So mussten für den Vortrag eine große Zahl von Ausstellungsstücken in die Breite Straße gebracht und auf einem großen Tisch zur Schau gestellt werden. Wie Spatz berichtet, bemühe sich das Naturkundemuseum, im Nachbargebäude Breite Straße 11 die Präparatorenwerkstatt einzurichten. Bisher scheiterte das an den fehlenden Mitteln, 80 000 Euro wären hierfür erforderlich.
Die „thematischen Sonntagsführungen“ finden jeden zweiten Sonntag im Monat um 11 Uhr statt. Für die Präparatorenarbeit bestand so großes Interesse, dass die Sitzgelegenheiten im Vortragssaal nicht ausreichten. Günter Schenke
Günter Schenke
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