Sport: Von der Bisquitrolle zum Trinkgefäß
Die Frauen kicken morgen zum elften Mal um einen Pokal aus 925er Sterlingsilber, der ihren Sport seit 1994 deutlich aufwertet
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Die Frauen kicken morgen zum elften Mal um einen Pokal aus 925er Sterlingsilber, der ihren Sport seit 1994 deutlich aufwertet Von Rainer Hennies Früher hieß der Frauenfußball noch Damenfußball, auch wenn es nicht immer wirklich „echte“ Damen waren, die spielten. Seit 1970 ist in der alten BRD der bis dato unerwünschte und sich nicht ziemende Kick erlaubt. Die deutsche Meisterschaft gibt es seit 1972, den Pokalwettbewerb seit 1981. Und dennoch stellt der 14.Mai 1994 im Berliner Olympiastadion zwischen TSV Siegen und Grün Weiß Brauweiler einen Neuanfang dar. Denn an jenem Tag wurde dem Pokalsieger auch ein richtiger Pokal überreicht. Vorher gab es zwar auch eine Trophäe. Der Pokal war jedoch bis dahin eine silberne Papyrusrolle, später auch verächtlich „Bisquitrolle“ und „Staffelholz“ genannt. Schließlich lag die von Goldschmied Adolf Kunesch gefertigte Trophäe wirklich recht gut in der Hand. Das Staffelholz konnte weder fallen gelassen werden noch sonst irgendwelchen Schaden anrichten, etwa gesundheitlichen durch Befüllen mit alkoholhaltigen Getränken und anschließendem hastigem Entleeren. Also nichts für Sportler, diese Trophäe. Die obendrein auch in ihrer Dimension einfach nicht füllig wirkte und irgendwie nichts darstellte. Anfang der 90er Jahre wuchs die Kritik an der „Bisquitrolle“, die einst etwas ganz Besonderes hatte darstellen sollen. Was die DFB-Oberen alle so toll fanden, machte über die Zeit der Gleichberechtigung eine Kehrtwende. Bis endlich der DFB den Frauen auch eine echte Fußballermentalität zugestand, in Form eines neuen Pokals, der jetzigen Trophäe. „Ein Pokal, aus dem man trinken kann“, so beschrieb ihn der damalige DFB-Frauenfußballboss Horst Schmidt als Leiter der Amateurabteilung treffend. Das sei besonders wichtig für richtige Sportler. Nach 13 Jahren mit der Pokalrolle hatte der DFB damals 12 000 Mark investiert für den drei Kilogramm schweren und 45 Zentimeter hohen Pokal aus 925er Sterlingsilber, innen vergoldet, Fassungsvermögen vier Liter, mit goldenem DFB-Emblem und grünblauen Edelstahlplatten. Heute gibt der DFB den materiellen Wert der Trophäe, die erneut von Adolf Kunesch gefertigt wurde, mit 10 000 Euro an. Gerd Neuser, Trainer des damaligen Finalisten TSV Siegen, sagte, was alle dachten: „Dieser neue Pokal wertet unseren Sport auf. Es ist eine Trophäe, die dem Ereignis gegenüber angemessen ist.“ Seine Spielführerin Silvia Neid jubelte: „Super! Endlich hat die Bisquitrolle ausgedient. Bisher konnten die Zuschauer doch nur an der Ehrenrunde erkennen, das wir da was gewonnen haben.“ Die Frage nach Sekt oder Selters hat der DFB damals kostengünstig, aber wirkungsvoll und zeitgeistgerecht gelöst: Champagner für die Damen. Der Schritt war nach dem allseits verhassten Staffelholz längst überfällig. Dieses Ding erinnerte einfach zu sehr an ein Küchenutensil. Doch die Zeit des kickenden Heimchens am Herd war vorbei. Rein äußerlich hat der neue Pokal den Stellenwert des Sports deutlicher korrigiert als manch andere Geste. Erster Gewinner des Pokals übrigens wurde Brauweiler mit 2:1. Andrea Klein, Bettina Wiegmann und zum Anschluss Doris Fitschen waren die Torschützinnen.
Rainer Hennies
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