Homepage: Von der Honorarkraft zum Traumjob
Katja Dietrich managt Veranstaltungen im Waschhaus und hält Seminare an der Uni ab
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Katja Dietrich managt Veranstaltungen im Waschhaus und hält Seminare an der Uni ab Von Michael Krause Mitten im Gespräch klingelt das Telefon. Katja Dietrich lächelt entschuldigend und hebt ab. Sie lehnt sich in ihrem Drehstuhl zurück und plaudert freundschaftlich mit dem Unbekannten am anderen Ende der Leitung. Zeit zum Umschauen. Ihr Büro ganz oben unter dem Dach des alten Waschhauses könnte ohne weiteres auch das Zimmer einer Wohnung sein. Das Auge gleitet über naturbelassene Dachbalken und grob verputzte Wände, verweilt auf Film- und Bandplakaten, um schließlich an der riesigen Sammlung von CDs hängen zu bleiben. Ob sie die als Promotionware von den Labels geschenkt bekommt? Auf den zweiten Blick erst wird deutlich, wie viel hier gearbeitet wird. An einer Schnur, die quer durch den Raum gespannt ist, hängen Presseausweise und allerlei andere wichtig wirkende Dinge. Die Regale biegen sich unter der Last prall gefüllter Ablagen und Ordner. Katja Dietrich hat an der Universität Potsdam Pädagogik studiert und ist heute eine der wichtigsten Personen im Potsdamer Waschhaus. Sie ist verantwortlich für die Promotion und leitet darüber hinaus noch die Bereiche Film, Literatur und Bildende Kunst - zum Teil gemeinsam mit Geschäftsführer Michael Wegener. „Eigentlich ein Traumjob“, gibt sie zu. Hier kann sie ihre eigenen Interessen mit professioneller Arbeit verbinden. Führt man sich vor Augen, dass der Backsteinbau in der Schiffbauergasse mit über 150.000 Besuchern im Jahr zu den angesagtesten Adressen in der Potsdamer Kulturlandschaft gehört, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie viel Zeit und Kraft die 33-Jährige in ihren Job investiert. Die Bezeichnung „Job“ scheint nicht so recht auf ihre Arbeit zu passen, denn je mehr die Potsdamerin aus ihrer Vita erzählt, desto deutlicher wird, wie eng ihr Leben mit dem Waschhaus e.V. verflochten ist. 1993, im Gründungsjahr des Vereins, hat sie im Waschhaus als DJ Katjuscha angefangen und schon ein Jahr später übernahm sie als Honorarkraft die Bereiche Film, Theater und Literatur. Nebenbei saß sie im Vorstand. Während sie sich erinnert, sieht sie aus dem Fenster. „Damals haben wir hier viel improvisiert. Das kann man sich bei dem heutigen finanziellen Druck nur noch bedingt leisten.“ Das war mitten im Studium, erzählt sie, und ein Lächeln huscht über ihr Gesicht. Warum sie lacht? „Eigentlich darf man das ja gar nicht erzählen, aber mein Studium hat über ein Jahrzehnt gedauert. Allerdings hatte ich auch viele Nebenjobs", schiebt sie hinterher. Die Unsicherheit täuscht. Denn, dass sie wegen der Arbeit manchmal nur einmal die Woche in der Uni war, sieht sie nicht nur als Nachteil für sich. Rückblickend hätten die vielen Jobs ihren Bezug zur Praxis und die Fähigkeit zu Organisieren herausgebildet. Und dann war sie ja auch noch mehrere Jahre im Ausland. Ein Jahr studierte sie in Edinburgh, später war sie als Assistant Teacher in London und zuletzt in Thailand tätig. Ihr Lehrerstudium hatte sie noch zu DDR-Zeiten angefangen. Als dann die Wende kam und die Pädagogische Hochschule zur Uni Potsdam wurde, durfte sie mit ihrem Abschluss 1991 nur Mathe, Deutsch und Werken bis zur vierten Klasse unterrichten. Sie entschied sich, noch mal völlig neu anzufangen und begann Englisch, Deutsch und Kunst für das Lehramt zu studieren. Es folgten zwei Abschlüsse und im Jahr 2000 der letzte für die gymnasiale Oberstufe. Dann aber musste sie sich entscheiden: entweder ein zweijähriges Referendariat am Gymnasium beginnen oder mit voller Kraft die Arbeit im Waschhaus fortsetzen. Das ist jetzt fünf Jahre her und Katja Dietrich hat ihre Wahl nicht bereut. Hat ihr das Pädagogik-Studium auch etwas für ihre jetzige Arbeit gebracht? „Natürlich. Die Germanistik hat mir zum Beispiel den nötigen Background für den Literaturbereich gegeben.“ Vor allem die Vorlesungen zur Filmgeschichte, die sie während des Studiums in Edinburgh besuchte, weckten ihr tieferes Interesse für die Filmkunst: Für ihre Abschlussarbeit an der Uni analysierte sie Filme David Lynchs auf deren Frauenbild. In der Rückschau scheint alles in ihrem Leben einen Sinn zu ergeben. Das muss mit ihrer grundsätzlich positiven Einstellung zusammenhängen, die sich im Verlauf des Gesprächs immer deutlicher erkennen lässt. Der Vorwurf, Langzeitstudenten seien weltfern und arbeitsscheu, prallt an ihr ab. Sie gibt zu, dass sie Glück hatte und ihr Weg „nicht so ganz mehrheitsfähig ist“. Deshalb weiß sie auch nicht so recht, was sie anderen Geisteswissenschaftlern, die in der Kultur arbeiten wollen, mit auf den Weg geben soll. „Vielleicht“, fällt ihr dann doch ein, „dass es sich immer auszahlen wird, wenn man genau das studiert, was einen wirklich interessiert." Darin scheint ein wenig von ihrem Lebensmotto durchzuschimmern. Ihr hat der Leitsatz jedenfalls geholfen, doch war das Studium eben nur die eine Säule. Die andere war die ganz praktische Arbeit. Aber nicht irgendwelche Jobs sollten es sein, sondern möglichst solche, bei denen man gefordert werde und perspektivisch etwas lerne. Eine Sache mit Perspektive – das sind für Katja Dietrich die Medienseminare, die sie seit einiger Zeit an der Universität Potsdam und der Fachhochschule Stendal gibt. „Ich kann mir für mich zwar keine komplette akademische Laufbahn vorstellen, aber eine Bedeutung für die Zukunft haben die Seminare schon." Ihre Arbeit im Waschhaus werde sie höchstens noch zehn Jahre machen können. „Die Gäste fangen schon an mich zu siezen“. Das aber sieht sie recht pragmatisch. Mit vierzig noch den Nerv der jugendlichen Gäste zu treffen, dürfte schwer werden. „Da muss man irgendwann Platz für jüngere Leute machen.“ Auch wenn sie im Moment nicht unterrichtet, ist das Lehramtstudium nicht ganz spurlos vorübergegangen. Die Kulturarbeit, die sie im Waschhaus betreibt, hat auch eine pädagogische Seite. Und wenn sie Filme und Autoren für Veranstaltungen und Festivals aussucht, dann muss der Anspruch stimmen. Darauf will sich das Publikum verlassen. Das Waschhaus ist in der Potsdamer Alternativkultur ein Klassiker geworden. Katja Dietrich war von Beginn an dabei.
Michael Krause
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