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Als die Bilder laufen lernten. Bei der ersten Vorlesung der Kinderfilmuni erklärt Ralf Forster, Leiter der Techniksammlung im Archiv des Filmmuseums, seinen neun- bis zwölfjährigen Studenten alte Filmutensilien – vom Grammofon über den Diaprojektor bis hin zu Holzkameras und Kinoorgel.

© Manfred Thomas

Kinderfilm-Uni Potsdam: Von der Kunst, einen Film zu drehen

Die Kinderfilm-Uni begann am Samstag mit einer Zeitreise. Bald entstehen die ersten eigenen Streifen.

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Vorsichtig bewegt Helene die kleine Kurbel des Projektors und erzeugt damit die Bewegung der einzelnen Bilder auf dem Filmstreifen. „Wird falsch gekurbelt, erscheint das bewegte Bild ungleichmäßig schnell auf der Leinwand“, sagt Ralf Forster, Leiter der Techniksammlung im Filmarchiv des Potsdamer Filmmuseums. „Beim Kurbeln braucht es einen Rhythmus“, erklärt Forster, „es muss richtig rattern.“

Gemeinsam mit Christine Handke, Pressesprecherin des Filmmuseums, leitete er am Samstag die erste Vorlesung der Kinderfilmuni und nahm die jungen Studierenden mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Wie entsteht ein Film? Und was wurde damals eigentlich alles gefilmt? Auf einem dunkelroten Seidentuch sind sämtliche Filmgeräte und -utensilien platziert. Ein Grammofon, eine Wundertrommel, eine Holzkamera, ein Diaprojektor, ein Daumenkino oder auch die sogenannte „laterna magica“ symbolisieren die einzelnen Etappen der Filmgeschichte vom stehenden zum bewegten Bild und sollen Antworten auf die Fragen liefern. „Der Film war nie stumm“, erklärt Forster, „es gab immer jemanden, der dazu Geschichten und Märchen erzählt, gesungen oder ein Instrument gespielt hat.“ Auch die Stummfilme, die er auf der Leinwand des Filmmuseums zeigt, werden an einer Kinoorgel musikalisch begleitet. „Das Tolle an der Kinoorgel ist, dass man die verschiedensten Effekte in einen Film einbauen oder sie als einfaches Klavier verwenden kann,“ sagt Forster. Auf einmal regnet, stürmt und donnert es in dem großen Saal, wenige Sekunden später ertönt leises Vogelgezwitscher und dann erscheint es plötzlich, als würde ein Zug oder ein großes Schiff direkt an der Bühne vorbeifahren.

Bereits zum achten Mal öffnete die Kinderfilmuni am Wochenende ihre Türen für die Filmprofis in spe. Als erste Kinderfilmuni Europas wurde die Veranstaltungsreihe 2007 von der damaligen Filmhochschule ins Leben gerufen. Jedes Semester haben hier rund 80 junge Studierende zwischen neun und zwölf Jahren die Gelegenheit, erste Hochschulluft zu schnuppern, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und in die Geheimnisse des Filmemachens einzutauchen. Professoren der Filmuniversität Babelsberg, Mitarbeiter des Filmmuseums und prominente Film- und Fernsehschaffende aus der Praxis vermitteln in den jeweils rund 60-minütigen Vorlesungen die Grundlagen der Filmproduktion. Filmgeschichte, Montage, Kamera, Ton, Animation, Schauspiel und Regie – der Stundenplan der Studierenden ist also prall gefüllt.

Insgesamt fünf Vorlesungen finden abwechselnd in der Babelsberger Filmuni „Konrad Wolf“, im Filmmuseum am Neuen Markt und in den Thalia-Programmkinos statt. In Praxiswerkstätten wird das erlernte Theoriewissen dann in die Tat umgesetzt. Per Motivationsschreiben können sich die jungen Filmliebhaber für einen der sechs Workshops bewerben. Ob vor oder hinter der Kamera – in der Werkstatt kann sich jeder als Filmemacher, Drehbuchschreiber, Reporter oder Kameramann ausprobieren.

Auch der zehnjährige Johannes träumt davon, später einmal Schauspieler oder Regisseur zu werden. Gemeinsam mit seinen Freunden arbeitet er derzeit an seinem ersten eigenen Filmprojekt. Ein richtiger Krimi soll es werden, „mit Mord und Überfällen“, erzählt der Schüler. Acht Minuten Filmmaterial haben die jungen Schauspieler mit ihrer Digitalkamera bereits aufgenommen, rund eine halbe Stunde lang soll der Streifen am Ende werden. Ein Drehbuch gibt es nicht. Johannes und seine Filmkollegen improvisieren. „Wir denken uns eine Szene aus und spielen sie dann direkt nach“, sagt der Siebtklässler, „alles vorher aufzuschreiben wäre ja viel zu anstrengend.“ Doch jetzt ist erst einmal Winterpause. „Unsere Geschichte spielt im Sommer, deshalb müssen wir warten, bis das Wetter wieder besser wird,“ erklärt Johannes. Und bis dahin gibt es auch noch einiges in Sachen Filmproduktion zu lernen. „Ich hatte ja schon Schwierigkeiten damit, überhaupt die ersten acht Minuten meines Films zu füllen“, sagt Johannes, „und mein Filmschneideprogramm ist auch ziemlich primitiv.“

Am Ende des Semesters erhalten die Schüler ein Diplom. Bei einer Abschlussveranstaltung im April wollen sie ihre Ergebnisse präsentieren. Und wer weiß, vielleicht flimmert dann schon der Trailer zu Johannes' Agentenfilm über die Leinwand des Filmmuseums.

Mareike-Vic Schreiber

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