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Homepage: Von der Moderne lernen Civitas: Claus Baldus über trügerische Ideologien

Der Fachhochschulprofessor Claus Baldus arbeitet nicht mit einem Diaprojektor, er benötigt für seinen Vortrag gleich zwei. Die Bilder folgen im Sekundentakt.

Der Fachhochschulprofessor Claus Baldus arbeitet nicht mit einem Diaprojektor, er benötigt für seinen Vortrag gleich zwei. Die Bilder folgen im Sekundentakt. Denn es geht dem Architekturphilosophen in seinem Beitrag zur Civitas-Ringvorlesung zum Thema Arbeit um die großen Zusammenhänge und die offensichtlichen Gegensätze. Das „Schaufenster“ im FH-Betonklotz am Alten Markt ist so gut besucht wie selten. Baldus, mit seiner freien Rede mit dem sympathischen Näseln in der Stimme ist unter den Studierenden, ja wohl auch den Kollegen, „Kult“.

Kant, Goethe, Nietzsche, Heidegger und Popper. Baldus holt weit aus, knüpft Beziehungen zwischen Philosophie und Kunst. Dem Zuhörer leuchtet das sofort ein. Eines der seltenen akademischen Erleuchtungserlebnisse. Nietzsche, der die Erfinder vom neuen „Lärme“ der Märkte gegen die Erfinder von neuen „Werthen“ setzte, um die sich die Welt in Wahrheit drehen würde. Ideen eben. Heideggers Begriff vom „Sein“, um dessen Zugriff es in der zukünftigen Weltherrschaft tatsächlich gehen würde. Baldus zitiert, weil er dem Denken, ohne Schranken, ohne Ideologie, zur Freiheit verhelfen möchte.

Baldus hat die Hoffnung der Moderne nicht verloren. Pessimistischer Postmodernismus ist ihm fremd. Er beweist anhand von falschen dorischen Säulen, die einen Generator aus der Zeit der Industrialisierung zieren, den hemmenden Historismus. „Doppelte Fälschung!“, ruft er. Diese Art des falschen Dekors überdecke zum einen als leere Hülle die Funktion, zum anderen habe doch am antiken Vorbild der Säulen bereits die Zeit genagt. Baldus lehrt vor allem das richtige Hinsehen, den unverbauten Blick auf die Gegenwart.

Baldus wechselt in die Kunstgeschichte. Menzels „Rüstkammer“ dient ihm als Beispiel des leeren, wenn auch künstlerisch vollkommenen Historismus. William Turners herannahende Dampflok, die den Bildbetrachter zu überfahren droht, als unterschätztes Meisterwerk der Moderne. Hat nicht Delaunay die damals neue Technik der Fotografie seinem aufgesplitterten Bild des Eifelturms zugrunde gelegt? Wenn nur noch Elemente, Einzelteile und Bausteine vorliegen, müssen wir dann nicht daraus versuchen, mit neuer Technik Neues zu konstruieren und zu organisieren? Wie Ferdinand Léger, der aus dem bekannten Bildnis des Todes von Marat in der Badewanne einen banalen Fahrradunfall macht. Baldus ängstigen Begriffe der Moderne, wie Entgrenzung und Simultanität, nicht. Sie geben Hoffnung auf einen Optimismus. In der von Oscar Niemeyer errichteten Zentrale der Kommunistischen Partei Frankreichs macht er einen „wunderbaren Schwung“ aus. Mit Blick auf Potsdam hofft der Professor: „Vielleicht ist Niemeyer ja in der Lage, uns zu einer optimistischen Haltung zu bringen.“

Eine einsame Gestalt bei Arnold Böcklin lässt Baldus an den für ihn unsäglichen Begriff der „Ich-AG“ denken. Wie kann man einen Einzelnen den globalen Kapitalströmen ungeschützt aussetzen? Claus Baldus“ fulminante Rede hat nicht das Thema Arbeit verfehlt. Auch ohne konkret darauf einzugehen, hat er faszinierend dargestellt, wie man Arbeitslosigkeit anpacken sollte. Als Lösung eines „konkreten Problems“, aus dem Alltag heraus, ohne ideologische Scheuklappen, in einem kommunikativen Miteinander. Die Mittel dazu, davon ist Baldus wohl überzeugt, liegen uns zu Füßen. Man muss nur genau hinschauen. M. Hassenpflug

M. Hassenpflug

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