Sport: Von der Platzhalterin zur Führungsfigur
Turbine Potsdams Viola Odebrecht sagt in der Nationalmannschaft Etablierten den Kampf an
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Wenn am morgigen Samstag um 16 Uhr im Mannheimer Carl-Benz-Stadion die Frauenfußball-Nationalmannschaft im vorentscheidenden Spiel um den Gruppensieg in der EM-Qualifikation auf die punktgleichen Spanierinnen trifft, drückt Viola Odebrecht dem deutschen Spiel wieder den Stempel auf – und mit ihren 29 Jahren das Durchschnittsalter ganz schön nach oben. Im Mittel sind die Kolleginnen fünf Jahre nach der Spielerin Turbine Potsdams geboren, deren spätes Comeback zum erfolgreichen Verjüngungsprozess beitrug. Sie gibt zu: „In meinem gestandenen Alter hatte ich nicht mehr mit einer Rückkehr in die Nationalmannschaft gerechnet.“
Als die 2005 nach 29 Länderspielen aus der deutschen Auswahl ausgemusterte Viola Odebrecht nach der verkorksten Heim-WM im vergangenen Herbst einen Anruf von Silvia Neid erhielt, hatte sie zuerst an einen Scherz geglaubt. Doch der Bundestrainerin war es ernst mit ihrer auch der Personalnot geschuldeten Anfrage, ob die Weltmeisterin von 2003 wieder für Deutschland spielen wolle. Viola Odebrecht, die von den Rücktritten zahlreicher Leistungsträgerinnen und Verletzungen von Stammkräften profitierte, musste nicht lange überlegen. „Ich verdanke dem Glück meine Wiedernominierung, für andere war es Pech. Unterm Strich ist es egal: Wenn du eine Chance bekommst, musst du sie nutzen“, erklärt die erst Früh- und dann Spätberufene.
Die Frau, die mit 19 Jahren ihr Länderspieldebüt gab, ließ die unverhoffte Gelegenheit nicht ungenutzt. Viola Odebrecht, die ihre Rückkehr ins Nationalteam auf „1:99“ taxierte, hat sich seither in nur acht Einsätzen zur Führungsspielerin entwickelt. Beim hochkarätig besetzten Algarve-Cup Anfang März, den Deutschland nach Siegen gegen Island, China, Schweden und Weltmeister Japan gewann, zählte sie zu den stärksten Spielerinnen. Zusammen mit Lena Goeßling ließ sie auf der Doppel-Sechs das verletzte Duo Kim Kulig und Simone Laudehr vergessen. Viola Odebrecht erhielt von Neid ein Sonderlob.
Freiwillig wird die examinierte Sportmanagerin, die sich bei ihrer Rückkehr nach mehr als sechs Jahren ins DFB-Team „anfangs komisch“ fühlte, ihre neue Position nicht wieder hergeben. „Ich sehe mich durchaus in der Lage, mit Kim und Simone zu konkurrieren“, schickt die künftige Profispielerin des finanzstarken VW-Klubs VfL Wolfsburg eine Kampfansage an die bislang Etablierten. Sie sehe sich „nicht mehr als Platzhalterin wie am Anfang, sondern ich denke, dass ich gute Chancen habe, Stammspielerin zu werden.“
An Selbstbewusstsein mangelt es der Frau, die nach einem Jahr USA-Aufenthalt ihr mitgebrachtes Übergewicht von acht Kilo noch monatelang mit sich herumschleppte und erst mit ihrer Rückkehr nach Potsdam zur Saison 2008/09 zur notwendigen professionellen Einstellung fand, nicht. Viola Odebrecht, die sich mit der Spielweise von Bastian Schweinsteiger identifiziert, ist um eine eigene Meinung nie verlegen. „Zum Mund aufmachen, muss man mich nicht auffordern, ich spiele auf einer Position, auf der man es auch machen muss“, sagt die neue Stimme des deutschen Teams.
Reinhard Sogl
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