zum Hauptinhalt

Zuwanderung in Potsdam: Von Einwanderern zu Einheimischen

Über die Geschichte der Zuwanderung in Potsdam und ihre Spuren in der Stadt erzählt eine neue Broschüre.

Stand:

Babelsberg - Potsdam, in Zeiten des Absolutismus gemeinhin bekannt als Stadt der Könige, Schlösser und Parks, diente in den vergangenen Jahrhunderten ebenso als Beispiel für einen bewegten multikulturellen Ort. Belege dafür hat die Stadt Potsdam jetzt im Rahmen der Interkulturellen Woche 2016 in der neuen Broschüre „Internationale Impulse für Potsdam – Zur Rolle der Zugewanderten für die Entwicklung Potsdams“ zusammengestellt. Für Historiker Ulrich Schmelz eine lehrreiche Schrift auch für die heutige Zeit. „Wir rufen unsere Geschichte auch deshalb herbei, um aus ihr bestimmte Vorgänge für heute abzulesen – gegebenenfalls sogar daraus zu lernen“, sagte der Historiker am Dienstag bei der Vorstellung der Broschüre im AWO Kulturhaus Babelsberg.

Entsprechend der Potsdamer Tradition als tolerante und weltoffene Stadt warb Schmelz auch im Zusammenhang mit dem Diskurs um die Platznot in der einzigen Moschee Potsdams (PNN berichteten) für Verständnis. Bei der Gemeinde in Potsdam handele es sich um eine äußerst „tolerante und nette“ Gemeinschaft, der geholfen werden müsse. „Für die Menschen ist das Aussehen einer möglichen Unterbringung nicht wichtig, sondern bloß die Funktionalität der Räumlichkeiten. Deshalb bedarf es einer schnellen Lösung für die Gemeinde“, so der Historiker.

Welche Spuren die Zuwanderung in den vergangenen Jahrhunderten in Potsdam hinterlassen hat, wird in der Neuauflage der früheren Publikation „Potsdam ohne Ausländer?“ auf knapp hundert Seiten aufgezeigt. Sie beinhaltet damit eine umfangreiche historische Chronik über die Migrationsgeschichte Potsdams.

Die 40 Themen wurden von Schmelz und seinem Team recherchiert und unter neuesten Erkenntnissen mit passenden Abbildungen versehen. Den Anfang setzten die Historiker dabei beim Großen Kurfürsten, Friedrich Wilhelm von Brandenburg, dessen politische Agenda nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges eine Anwerbung und Ansiedlung möglichst gut ausgebildeter Ausländer vorsah. Diese sollten, wie auch nach erneuter Dezimierung der Bevölkerung durch weitere Kriege, Missernten oder Seuchen, vorwiegend mit ihrer Arbeitskraft helfen. Mit dem 1685 erlassenen Potsdamer Toleranzedikt bot der Kurfürst schließlich unter religiöser Verfolgung leidenden Menschen Zuflucht in Brandenburg. Auch die ausgeschriebenen Privilegien für Neubürger lockten Menschen aus ganz Europa nach Potsdam. „Durch diesen Zuzug können wir uns heute an unserem vielfältigen Stadtbild erfreuen und beispielsweise durch das Holländische Viertel oder die Russische Kolonie Alexandrowka spazieren“, sagte Ulrich Schmelz.

Im Zuge der Industrialisierung Preußens kam es laut dem Historiker dann zu weiterer Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte. Vor allem schlesische und böhmische Familien zogen her, um sich als Kattunweber und Spinner in der eigens für sie errichteten Siedlung Nowawes, dem heutigen Babelsberg, niederzulassen. „Dies führte im Laufe der Jahre dann auch dazu, dass die katholische Kirche Einzug in Potsdam hielt“, so Schmelz zum weiteren Toleranzeingeständnis der preußischen Monarchie.

Während des Zweiten Weltkriegs habe es dann in hohem Maße Zwangsarbeit in Potsdam gegeben. Circa 70 Betriebe ließen laut Schmelz in Babelsberg in der Zeit von 1940 bis 1945 rund 15000 Kriegsgefangene für sich arbeiten. Dies und der falsche Umgang mit Gastarbeitern in der DDR, welche durch Ghettoisierungsprozesse keine Integration erfuhren, würden aber auch die Kehrseite des multikulturellen Umgangs zeigen. Aus diesen Erfahrungen gelte es also für die Gegenwart zu lernen, so der Historiker. Florian Sprenger

Die Broschüre ist erhältlich über das Büro für Chancengleichheit und Vielfalt. Email: gleichstellung@rathaus.potsdam.de

Florian Sprenger

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })