zum Hauptinhalt

Unesco-Tag in Potsdam: Von Engeln und Wagenführern

Die Stadt Potsdam lädt am Unesco-Tag nach Bornstedt. Auf dem historischen Friedhof lernen Kinder, dass sie sich vor Gräbern nicht gruseln müssen – aber viel durch sie lernen können.

Stand:

Angenehm ist es im Schatten der Bäume, unter denen die Eltern mit ihren Kindern warten. Es ist Samstagvormittag, und bis auf Vogelgezwitscher ist es ganz ruhig. „Gleich kommt der Pfarrer und erzählt etwas über die Gräber, die es hier gibt“, sagt ein Vater zu seiner etwa fünfjährigen Tochter, die sich mit großen Augen eng an ihn schmiegt.

Der Bornstedter Friedhof, vor dessen Trauerhalle sie auf eine Führung warten, scheint dem Mädchen ein ungewöhnlicher Ort für einen Wochenendausflug zu sein. Aber heute ist Unesco-Tag, zu dem die Stadt Potsdam in diesem Jahr ins Dorf Bornstedt auch Kinder eingeladen hat. In Deutschland wird jedes Jahr im Juni dieser Tag mit Veranstaltungen begangen, die allerorts das Thema Welterbe erlebbar machen und interessante Fakten vermitteln sollen. Seit 1999 gehört Bornstedt mit der von Reinhold Persius vollendeten Dorfkirche und dem historischen Friedhof, auf dem viele Potsdamer Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe fanden, zum Unesco-Welterbe. Heute soll auch den Kleinsten nähergebracht werden, warum das etwas Besonderes ist.

Und dann geht es mit der Führung auch schon los: „Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr“ spielt Friedhelm Wizisla, Pfarrer der Bornstedter Gemeinde, auf einer Klarinette an und singt die erste Strophe des Kanons. Und erklärt dann den rund 25 Eltern und Kindern kurz, worum es bei seiner Friedhofsführung gehen soll: Um nichts weniger als um „Himmel und Hölle, Tod und Engel“. „Wenn wir schweigen und hören“, sagt er, „dann können wir viel entdecken“. Zum Beispiel, was Grabsteine mit ihren Symbolen und Worten über Verstorbene erzählen.

Der erste Weg mit Pfarrer Wizisla führt zum Grab von Elsbeth Rosenthal, das eine Engelsstatue ziert, die einst vom Bildhauer Otto Geyer (1843 bis 1914) entworfen wurde. Zuerst müssen die Kinder rechnen. „Kann mir einer sagen, wie alt Elsbeth geworden ist?“ fragt Wizisla in die Runde, doch kein Kind traut sich, sein Rechenergebnis preiszugeben. „15 Jahre alt“, sagt schließlich eine Mutter, und nun erzählt der Pfarrer, worauf es ihm eigentlich ankommt: Er stelle sich vor, dass die Eltern von Elsbeth deren Gesicht im Engelsgesicht verewigen ließen, um sie immer sehen zu können, wenn sie ihr Grab besuchten. So etwas zu machen, das helfe Trauernden oft, erklärt er.

Das macht er auch auch anhand einer Darstellung am Grab des Architekten Ludwig Persius deutlich. Hier wird eine Frau gezeigt, die mit einer Hand die Hand eines Mannes hält, mit der anderen seine Schulter umfasst. Es sei ein Symbol für Festhaltenwollen und Loslassenmüssen gleichermaßen. „Es tut gut, irgendetwas zu tun, wenn man traurig ist“, sagt er. Deswegen legten Hinterbliebene auch Blumensträuße auf Gräbern nieder oder betrieben regelmäßig Grabpflege.

Sind an dieser Stelle die Kinder noch still, bringen sie sich etwas mutiger ein, als es um Symbole etwa an den barocken Gräbern geht. Was denn zum Beispiel eine Sanduhr bedeuten könne? „Die Lebenszeit geht zu Ende“, sagt ein etwa zehnjähriges Mädchen schüchtern. So stehe es auch mit der Darstellung von Fackeln oder abgebrochenen Säulen, während Urnen und Rosen als Zeichen der Ewigkeit gelten würden.

Weil diese bildreiche Führung von Pfarrer Wizisla über den Bornstedter Friedhof am Unecso-Tag nicht die einzige ist, begegnen sich immer wieder Gruppen zwischen den Grabsteinen. So ist es möglich, eine zeitlang Pfarrer Wizisla zuzuhören und sich dann Susanne Drenhaus-Lemgo anzuschließen, um etwas über „Die Langen Kerls und andere Persönlichkeiten“ zu erfahren.

„Schon die Grabsteine an sich verraten viel über das Leben der Verstorbenen“, sagt Drenhaus-Lemgo. Zum Beispiel, dass der Weinausschank des einstigen Langen Kerls Heinrich Wilhelm Wagenführer, den dieser nach seiner Zeit als Soldat in Potsdam gegenüber der Garnisonkirche betrieben hatte, wirtschaftlich so gut lief, dass seine Witwe und deren Schwester nach seinem Tode immer reicher wurden. Ist das Grabmal seiner Witwe – dargestellt ist eine abgebrochene Säule – schon recht imposant, bringt es ihre Schwester nach ihrem Tod mit exakt derselben Darstellung sogar auf eine doppelt so große und teure Grabstätte.

So sind die Gäste des Unesco-Tages bei den Friedhofsführungen am Ende um viele solcher Anekdoten reicher. Eine weitere Führung hat das Thema „Hofgärtner in Bataillonen“, geleitet vom früheren PNN-Kulturchef Klaus Büstrin. Der Eindruck bei den Kindern, von denen viele zum ersten Mal auf dem historischen Friedhof zu Besuch sind, scheint nachhaltig. Die vierjährige Meike zum Beispiel, die mit ihrer Mutter gekommen ist, findet es zu Beginn der Führung mit Pfarrer Wizisla noch sehr gruselig. Am Ende aber sagt sie: „Die Engel sind toll, weil sie so schön sind.“ Angst habe sie nun jedenfalls nicht mehr.

Andrea Lütkewitz

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })