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Von Michael Meyer: Von Japan an den Seekrug
Sanae Nakamura weilt zu einjährigem Trainer-Praktikum bei Potsdams Ruderern
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Am Potsdamer Seekrug folgt Sanae Nakamura dem Trainer Steffen Becker wie ein Schatten. Klettert er frühmorgens ins Motorboot, um bei Wind und Wetter seine Ruderer auf dem Wasser zu begleiten, sitzt die Japanerin neben ihm. Grübelt er über seinen Trainings-Analysen, beschäftigt sie sich ganz in der Nähe mit eigenen Aufzeichnungen. Spielt er mit seinen Schützlingen Fußball, kickt Nakamura mit.
Die 1,66 Meter kleine Sanae Nakamura ist dabei ganz offiziell an der Seite des 1,93 Meter großen Steffen Becker. Im Auftrag des Nationalen Olympischen Komitees Japans, das alle ihre Kosten in Deutschland trägt, absolviert sie seit kurzem ein einjähriges Trainer-Praktikum bei der Potsdamer Ruder-Gesellschaft (PRG). Das kam mit Hilfe Kathrin Borons, erfolgreichste Skullerin aller Zeiten und jetzt Chefin des Ruder-Bundesstützpunktes Potsdam, zustande. „Ich habe Kathrin Boron in diesem Jahr beim Weltcup in Luzern angesprochen, weil ich im Rahmen meiner Trainerausbildung ein Auslands- Praktikum machen muss“, erzählt die 42-Jährige, die aus Ishikawa stammt, früher selbst Ruderin war, 2005 mit Japans Nachwuchs die Junioren-Weltmeisterschaften auf dem Brandenburger Beetzsee erlebte und seit 2008 als Trainerin mit dem Nationalteam ihres Landes arbeitete. Seit März dieses Jahres haben Japans Ruderer mit dem Mainzer Diethelm Maxrath einen deutschen Cheftrainer; kein Wunder, dass sich Nakamura nun im deutschen Rudersport umschaut.
„Das ist hier alles sehr interessant“, erzählt die einstige Leichtgewichts-Skullerin. „Potsdam hat viele sehr gute Sportler, viel Wasser und sehr gute Bedingungen zum Trainieren.“ Die Seekrug-Ruderer „sind sehr groß und haben schon viel Kraft“, so Nakamura. „Wir Japaner sind meist sehr klein und trainieren daher vor allem viel Technik. Mit noch mehr Technik könnten die Potsdamer noch besser sein.“ Daher diskutiere sie mit Steffen Becker viel über die Rudertechnik. Was der Potsdamer Coach bestätigt. „Die Arbeit mit Sanae ist sehr gut“, erklärt der 43-Jährige. „Sie hat eine pädagogische Ader, von der ich auch noch etwas lernen kann, und bringt auch Know-how von zu Hause mit.“
So hatte Nakamura ein von einer japanischen Firma entwickeltes neues Stemmbrett für die Boote im Gepäck, auf dem der Aktive beim Rudern die ganzen Füße bewegen kann; bei den bisher hier üblichen Brettern sind dagegen die Schuhe starr angeschraubt. „Mit dem neuen Stemmbrett hat der Sportler mehr Gefühl für sein Boot“, erklärt Becker, der seine Praktikantin auch in den Freundes- und Familienkreis einladen will. Nakamura, die während ihrer Zeit in Potsdam im Kongresshotel am Templiner See wohnt, beteuert zwar: „Ich habe jeden Tag viel Spaß und noch kein Heimweh.“ Steffen Becker will sie trotzdem Weihnachten „in unsere große Familie mitnehmen“.
Heute und morgen aber lassen sich Becker und Nakamura gemeinsam mit Potsdams Aktiven am Dortmund-Ems-Kanal den Wind um die Nase pfeifen. Bei der Dortmunder Langstrecken-Regatta werden 17 PRG-Frauen und -Männer die 6000 Meter rudern. „Sanae wird dabei selbständig Aufgaben bewältigen“, kündigt Potsdams Männer-Coach an. Da die knapp 50 gemeldeten Einer-Ruderer im 45-Sekunden-Takt auf die Strecke gehen werden, „wird Sanae – ebenso wie ich – einen Teil unserer Sportler am Ufer auf dem Fahrrad begleiten, eigenständig betreuen und anfeuern und mir damit wirkungsvoll helfen“, sagt Becker. So ist sie weit mehr als sein Schatten.
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