HEYES Woche: Von Jugendtreffs und Autoklau
Wer bei dem Begriff „Freiland“ nur an Eier und glücklich legende Hühner denkt, muss demnächst umlernen. Dafür bleibt noch etwa ein Jahr Zeit: Dann soll das „soziokulturelle Jugendprojekt“ gleichen Namens in der Friedrich-Engels-Straße Wirklichkeit geworden sein.
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Wer bei dem Begriff „Freiland“ nur an Eier und glücklich legende Hühner denkt, muss demnächst umlernen. Dafür bleibt noch etwa ein Jahr Zeit: Dann soll das „soziokulturelle Jugendprojekt“ gleichen Namens in der Friedrich-Engels-Straße Wirklichkeit geworden sein. Unter dem Namen „Freiland“ soll es sich dann in der jugendkulturellen Landschaft Potsdams etablieren. Das Vorhaben ist als großer Erfolg für das junge Potsdam zu werten. Und die Stadt hat die Chance, sich von dem Ruch zu befreien, an ihrer jungen Bürgerschaft kein sonderliches Interesse zu haben. Niemand soll die Verwaltung in Zukunft mehr mit Marx- und Engelszungen ermahnen müssen, die Stadtpolitik so zu gestalten, dass Potsdam seinen Ruf als kinderfreundlichste Stadt auch verdient. Schließlich sind auch Lindenpark und Waschhaus gerettet. Auch die Schulen und Kitas sollen endlich saniert werden. Dafür fließt bis 2012 eine Gesamtsumme von rund 130 Millionen Euro. Das Potsdamer Handwerk wird dann über mangelnde Beschäftigung hoffentlich nicht zu klagen haben. Während also Potsdam dabei ist, seinen jugendpolitischen Ruf zu polieren, ist an anderer Stelle noch reichlich zu tun. Es gilt, ein tief sitzendes Vorurteil abzuräumen. Was wurde nicht alles an schrecklichen Folgen prophezeit, als die Schlagbäume zwischen Deutschland und Polen fielen und die Grenze zum östlichen Nachbarn unsichtbar wurde. An jedem zweiten Stammtisch waren rechtsgewirkte Sprüche zu hören – und die Wirklichkeit? Dazu empfehle ich die Lektüre der jüngst vorgestellten brandenburgischen Kriminalstatistik. Die Straftaten im ehemaligen Grenzbereich sanken von 31 600 auf 24 748. Dafür stieg die Zahl der Autodiebstähle, die sich mit 379 gestohlenen Fahrzeugen seit 2007 mehr als verdoppelt haben. Wer jetzt etwas kurzschlüssig glaubt, das habe man ja immer schon gewusst und wen könne es wundern, dem kann ich nur raten, bei seinen Vorurteilen abzurüsten. Polnische Staatsbürger sind nur zu zwölf Prozent an Autodiebstählen beteiligt. Ein absoluter Tiefstwert in den Statistiken. Die Täter sind meistens Deutsche. Nie also war ein diskriminierender Witz falscher als dieser – „Mach Urlaub in Polen, Dein Auto ist schon da“ und nie war eine deutsche Gewissheit angreifbarer als diese: Bleibe im Land und nähre dich redlich.
Uwe-Karsten Heye schreibt an dieser Stelle regelmäßig für die PNN. Unser Autor war Redenschreiber bei Willy Brandt und Regierungssprecher von Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder. Heute lebt Heye mit seiner Familie in Babelsberg und arbeitet dort als Autor und Publizist.
Uwe-Karsten Heye
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