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Stolze Zeitungsmacher. Die Schüler des Kurses Gesellschaftswissenschaften der neunten Klasse des Humboldt-Gymnasiums haben am diesjährigen Schülerwettbewerb der Bundeszentrale für politische Bildung teilgenommen.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Von Karrierefrauen und Quotenmännern

Neuntklässler des Humboldt-Gymnasiums haben eine Zeitungsseite zum Thema Gleichberechtigung gestaltet und bei der Recherche einige Aha-Effekte erlebt

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Als Blickfang auf ihrer selbst gestalteten Zeitungsseite haben sich die Neuntklässler ein Rätsel ausgedacht: Zu sehen sind sieben Babygesichter, kaum voneinander zu unterscheiden. Wer von den Kleinen auf den Fotos werden wohl später die Karrierefrauen und wer der Quotenmann sein, in zwanzig Jahren, wenn die heute 14-jährigen Schüler des Humboldt-Gymnasiums mitten im Berufsleben stehen – und sich die Chancen für Frauen, in Führungspositionen zu gelangen, vielleicht gewandelt haben?

Zehn Wochen lang, seit Beginn des Schuljahres, haben sich die Jugendlichen im Kurs Gesellschaftswissenschaften mit der Diskussion um die Gleichberechtigung der Geschlechter auseinandergesetzt. Das Ergebnis ihrer Recherchen haben sie jetzt als eine Zeitungsseite beim Schülerwettbewerb zur politischen Bildung eingereicht. Es war eines von fünf gestellten Themen für die achten bis elften Klassen. „Wir haben es ausgewählt, weil es unsere Zukunft betrifft“, sagt Willy Lebentrau. Er und seine Mitschüler haben Kurzessays geschrieben, Umfragen und Interviews mit Politikern geführt.

Mit ihrem Beitrag gehören sie zu den 2560 Einsendungen beim diesjährigen Wettbewerb der Bundeszentrale für politische Bildung. Immer mehr Klassen machen laut Wettbewerbsleiter Ulf Marwege mit, in diesem Jahr allein 80 mehr als im vergangenen. „Wenn man pro Klasse 20 Schüler rechnet, dann haben wir rund 50 000 teilnehmende Jugendliche. Das ist schon einzigartig.“ An das Thema Gleichberechtigung haben sich allerdings nicht viele gewagt. Gerade mal 130 Einsendungen habe es gegeben, sagt Marwege. Vielleicht sei es doch nicht so jugendgemäß, vermutet er. Zum Vergleich: Mehr als 500 Klassen haben sich mit Komasaufen unter dem Titel „Trinken bis zum Umfallen“ beschäftigt.

Die 13 Mädchen und elf Jungen des Humboldt-Gymnasiums haben bei ihrem Projekt einige Aha-Effekte erlebt. Bei einer Umfrage über die Höhe des Taschengeldes etwa hat sich gezeigt, dass Jungen auch an ihrer Schule im Schnitt zwei Euro mehr bekommen als Mädchen. Und das sei noch nicht alles, schreiben Jasmin Thurley und Nora Mehwald in ihrem Artikel. „Die Jungs bekommen nicht nur mehr, gut die Hälfte von ihnen wünscht sich auch noch mehr Taschengeld. Bei den Mädchen ist das ein gutes Drittel. Die Jungs fangen also früh an, sich an einen höheren ,Lohn’ zu gewöhnen.“

Den Unterschied zwischen den Geschlechtern haben sie auch bei der Recherche selbst erlebt. Sie schrieben Politiker wie Matthias Platzeck und Jann Jakobs für ein Interview an, aber auch die Fernsehstars Mario Barth oder Günther Jauch. Die Männer haben entweder gar nicht reagiert oder die Antwort an ihre Mitarbeiterinnen delegiert. Letztlich interviewten die Schüler Bildungsministerin Martina Münch. „Eine unglaublich schöne Erfahrung“, schwärmt Helen Gerdewischke. Sie hätten sich super vorbereitet, dann zum Interviewtermin allerdings ihren Fragebogen vergessen. So mussten sie eben improvisieren.

Die Eigenverantwortung der Schüler werde bei solchen Projekten gestärkt, sagt Marwege. Und: Die gemeinsame Tätigkeit schweiße zusammen. „Das bringt erheblich mehr als eine Klassenreise.“ Auch Kursleiterin Marion Seitz bestätigt: Die Arbeit sei durch die viele Teamarbeit gut für den Kurszusammenhalt gewesen.

Bereits öfter habe sie den Wettbewerb in ihren Unterricht eingebunden, sagt Seitz. In vielen Fächern lässt der eng vorgegebene Rahmenplan allerdings wenig Spielraum für solche Projekte. Für Marwege ist es deshalb „ein Zeichen von Zivilcourage, wenn Lehrer sagen, wir nehmen teil, egal, was wir laut Lehrplan machen sollten.“ Doch nicht immer, so Seitz, hätten die Schüler auch den langen Atem, bis zur Fertigstellung ihres Produkts auch durchzuhalten. Das Thema aber diesmal ließ sie nicht los, auch außerhalb der Schule. „Ich habe einen Abend lang mit meinem Vater darüber diskutiert“, sagt Willy Lebentrau.

In diesen Tagen sollen Lehrkräfte die eingesendeten Arbeiten in einer ersten Runde auswerten. Im Februar des kommenden Jahres werden dann Seitz’ Schüler erfahren, ob sie einen von über 400 Preisen, oder gar den Hauptpreis, eine Klassenreise, gewonnen haben.

Grit Weirauch

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